Donnerstag, 12. Juni 2014

Hanebüchen oder blühend? Wie man durch phantasievolle Argumentation das Verfassungsrecht in sein Gegenteil verkehrt ....

Etwas weniger amüsant als diese "Jiddische Geschichten aus der Großstadt", aber nicht weniger spitzfindig - um nicht zu sagen von ausgesuchter Dialektik - sind die Protagonisten des spezifisch kirchlichen Arbeitsrechts. So lassen sich jedenfalls die Äußerungen zur Verfassungsbeschwerde von Marburger Bund und ver.di interpretieren. Halten denn die bekannten Aussagen und Schlussfolgerungen einer kritischen Überprüfung wirklich stand?

Ein Blick ins Gesetz (und in den Wortlaut der einschlägigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung) erleichtert die Rechtsfindung:

Da wird aus dem einfachen Satz des Bundesverfassungsgerichts: "Die Kirchen können sich ... auch der Privatautonomie bedienen, um ein Arbeitsverhältnis zu begründen und zu regeln. Auf dieses findet das staatliche Arbeitsrecht Anwendung" (Beschluss des Zweiten Senats vom 4. Juni 1985, -- 2 BvR 1703, 1718/83 und 856/84 --) mit bemerkenswerter Logik ein regelrechtes Labyrinth an Gedankenkonstrukt aufgebaut, das in der Aussage gipfelt, dass das staatliche Arbeitsrecht gerade eben nicht Anwendung finden soll.
Und ganz nebenbei wird aus dem "Schrankenvorbehalt" in Art. 1 RKonk i.V. mit Art. 123 GG sowie Art.140 GG i.V. mit Art. 137 III WRV eine Generalvollmacht der Religionsgemeinschaften *).

Und diese "Generalvollmacht" soll dann nicht nur für Mitglieder der Kirche gelten, wie Art. 1 RKonk vorsieht, ...
Der Staat anerkennt das Recht der katholischen Kirche innerhalb der Grenzen des für alle geltenden Gesetzes, ihre Angelegenheiten selbstständig zu ordnen und zu verwalten und im Rahmen ihrer Zuständigkeit für ihre Mitglieder bindende Gesetze und Anordnungen zu erlassen.
... sondern auch entgegen BVerfG v. 14.12.1965, BVerfGE 19,206 ...
...
Aus der Pflicht zur religiösen und konfessionellen Neutralität folgt, daß der Staat einer Religionsgesellschaft keine Hoheitsbefugnisse gegenüber Personen verleihen darf, die ihr nicht angehören.
...
... gleich für alle, die "bei Kirchens" arbeiten, und für deren Angehörige - egal, welcher Religionszugehörigkeit diese sind.
Denn wie sonst käme (entgegen dem BVerfG, wie gerade ausgeführt) beispielsweise die evangelische Kirche dazu, ihren katholischen Beschäftigten ein kirchengesetzliches Streikverbot aufzunötigen?
Wieso soll die Wiederheirat eines geschiedenen evangelischen Christen mit einer ledigen katholischen Christin, die in einer katholischen Einrichtung arbeitet, für diese zu einer Kündigung führen? **)
Und auf welcher Rechtsgrundlage erklärt der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz "zur Unvereinbarkeit von Lebenspartnerschaften nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz mit den Loyalitätsabliegenheit nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" im Juni 2012:
"... Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, gleich ob sie der katholischen Kirche angehören oder nicht, die nach diesem Gesetz eine "eingetragene Lebenspartnschaft" eingehen, verstoßen dadurch gegen die für die geltenden Loyalitätsobliegenheiten ....
Das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ist deshalb ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der o.g. Grundordnung ...., der die dort geregelten Rechtsfolgen nach sich zieht."


Nicht mehr der Staat soll also über das für alle geltende Gesetz die Schranken des kirchlichen Selbstverwaltungsrechts vorgeben, sondern die Religionsgemeinschaften *) wollen bestimmen, wie weit der Staat seinen Bürgern, wenn sie denn in deren Dienst treten, Grundrechte gewähren und diese schützen darf.

Wie sang der bayerische Volksbarde Fredl Fesl doch gleich? "In unserm Staat sind alle gleich, bloß d'Kirch gehört zum Himmelreich".


*) Art. 137 III WRV gilt für alle Religionsgemeinschaften, nicht nur für die christlichen Kirchen. Auf dieser Grundlage könnte also - wenn denn die Argumentation der kirchlichen Juristen zutrifft - auch eine islamische Gemeinschaft festlegen, dass die "Scharia" für ihre Beschäftigten zu gelten hat.

**) Dieses Beispiel belegt, dass die Regelung nie als Grundlage für ein kircheneigenes Arbeitsrecht gedacht war. Denn evangelische Christen gab es wie Scheidungen und konfessionsverschiedene Ehen kirchlicher Mitarbeiter auch schon 1933 in katholischen Einrichtungen - und der Vatikan hätte nie der Beschränkung einer "kirchlich-katholischen Rechtsetzungsbefugnis nur auf katholische Mitarbeiter" zugestimmt, wenn diese Befugnis auch für die Arbeitsverhältnisse evangelischer Christen gedacht gewesen wäre.
Ein spezielles kirchliches Arbeitsrecht war seinerzeit also nicht intendiert.
Und weil die Beschränkung der katholischen Rechtsetzungsbefugnis auf Mitglieder der katholischen Kirche im - immer noch geltenden - Reichtskonkordat weiterhin "geltendes Recht" ist, ja nach c. 3 CIC sogar höchstrangiges Kirchenrecht ist, taugt weder der Art. 1 Abs. 2 des RKonk noch der vergleichbare Art. 137 Abs. 3 WRV für die rechtsdogmatische Begründung eines kircheneigenes Arbeitsrechts.

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