Dienstag, 12. August 2014

Zitat des Tages: Versöhnungsprinzip

Wenn geltend gemacht wird, ein Arbeitskampf lasse sich schlecht mit den Prinzipien christlicher Nächstenliebe und Versöhnung vereinbaren, so ist dem entgegenzuhalten, dass Unversöhnlichkeit und Lieblosigkeit in dem Lohnkonflikt begründet sind, der zum Arbeitskampf führt. Die Arbeitnehmer sind in diesem Konflikt strukturell unterlegen und greifen zu Arbeitskampfmaßnahmen, weil sie nur auf diesem Wege eine gleich starke Verhandlungsposition erlangen können. Verwehrt ihnen der strukturell überlegene Arbeitgeber diesen Ausweg, dann nimmt er ihnen die Chance auf einen fairen Abschluss. Hierfür das Prinzip der Nächstenliebe zu bemühen, mag weltlicher Kritik entzogen sein. Bei der Gewichtung dieses Aspekts bleibt aber zu berücksichtigen, dass auch die Arbeitgeberseite Nächstenliebe und Rücksichtnahme schuldet und es grundsätzlich nicht aufklärbar ist, welche Seite bei der Entstehung des Konflikts es daran hat fehlen lassen. Viele Arbeitnehmer kämpfen zudem auch für ihre Familien, denen gegenüber sie – fraglos in Übereinstimmung mit christlicher Moral – eine stärkere Loyalitätsbindung empfinden als gegenüber ihrem Arbeitgeber.
Insgesamt wirkt die Begründung des kirchlichen Standpunktes mit dem Prinzip der Nächstenliebe und Versöhnung bei näherer Betrachtung wenig überzeugend. Ein Arbeitgeber, der in einem Konflikt um Arbeitsbedingungen Nächstenliebe von seinen Arbeitnehmern einfordert, schiebt ihnen damit einseitig die Verantwortung an der Entstehung des Konflikts zu. Indem er ihnen die ihnen zu Gebote stehenden Druckmittel nimmt, unterwirft er sie zugleich seinen Herrschaftsinteressen.




aus:

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Zur Rubrik "Zitat des Tages": Im August macht auch die Blog-Redaktion Sommerpause, die nur für ganz wichtige Nachrichten unterbrochen wird. Mit der täglichen Rubrik "Zitat des Tages" füllen wir die Tage mit Lektürefundstücken, die uns aufgefallen sind und die wir für bemerkenswert halten.
Das machen wir auch, damit der Blog nicht einrostet.


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