Mittwoch, 2. Dezember 2015

Kommentare zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den kirchlichen Loyalitätspflichten

Den Zeitraum vom Beginn des Kirchenjahres bis zum Ende des Kalenderjahres möchten wir künftig nützen, um einen Jahres-Rückblick auf die wichtigsten Gerichtsentscheidungen zu machen und auf die aktuell hierzu veröffentlichten Kommentierungen der Fachmedien zu verweisen.

Heute:
Loyalitätspflichten – uneingeschränkte Freiheit für die Kirchen?
Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22.10.2014

„In unserm Staat sind alle gleich, bloß d’Kirch gehört zum Himmelreich“ hat der bayerische Barde Fredl Fesl einst gedichtet. Aber – stimmt das tatsächlich so?
Es ist merkwürdig ruhig geworden um diese Entscheidung. Allerdings nimmt ein kürzlich erschienener Aufsatz (s.u.) die Frage wieder auf. Wir sehen uns in unserem Blog in der Pflicht, nicht nur rasch über wichtige Entscheidungen zu berichten, sondern auch die weitere Entwicklung zu beobachten, und zu dokumentieren.
Entgegen erster und wohl vorschneller Kommentierungen erweist sich das Urteil tatsächlich als „Danaer-Sieg“ für kirchliche Autonomiebestrebungen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat ein mehrstufiges Verfahren vorgesehen, an dessen Ende eine Kündigung stehen kann.

Prof. Dr. Ulrich Hammer hat in einem Aufsatz in der ZTR (10.2015) das Urteil umfassend analysiert. Eine Kurzfassung des Aufsatzes ist von der Kanzlei unter de Titel: Kündigung und Kündigungsschutz in kirchlichen Einrichtungen im Internet eingestellt. 
Insgesamt gilt, dass Loyalitätspflichten, die nicht arbeitsvertraglich vereinbart wurden, keine arbeitsrechtlichen Sanktionen auslösen können.
Wir möchten hier eine kurze und prägnante Zusammenfassung der Thesen von Hammer vornehmen:

1. Schritt:
Zunächst ist zu prüfen, auf welcher Grundlage solche Loyalitätspflichten gelten sollen. Wir befinden uns schließlich im Arbeitsvertragsrecht, und da können Pflichten nicht einseitig festgelegt werden. Das Gericht setzt also voraus, dass die Loyalitätspflichten und mögliche Konsequenzen vertraglich vereinbart sein müssen. Denn auf Rechte – insbesondere auf Grundrechte – kann nur freiwillig (und nicht mit Zwang) verzichtet werden (Hammer, ZTR 10.2015 S. 551 ff unter Bezug auf Sczepanski in AuK 2015, 102).
Wo keine vertragliche Vereinbarung vorliegt, kann auch kein Vertragsverstoß vorliegen. Als Prüfungsmaßstab wird vom Bundesverfassungsgericht wohl der Maßstab für „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ (§ 305 ff BGB) zugrunde gelegt. Denn die vertraglichen Loyalitätsvereinbarungen sollen für eine Vielzahl von Verträgen gelten. So dürfen entsprechende Verpflichtungen nicht „überraschend“ sein.

2. Schritt:
Nun kann man auch den größten Unsinn vertraglich vereinbaren. Ein Vertrag darf nicht rechtswidrig sein. Daher hat das Bundesverfassungsgericht als nächsten Schritt die Prüfung vorgesehen, ob eine solche Vereinbarung im Widerspruch zu höherrangigem (insbesondere gesetzlich normiertem Recht) steht (Hammer, a.a.O.). Eine rechtswidrige Vereinbarung muss – und darf – nicht eingehalten oder gar mit Mitteln der staatlichen Gerichtsbarkeit durchgesetzt werden.

3. Schritt:
Wenn auch diese Hürde genommen ist, steht die eigentliche Abwägungsentscheidung an. Ein staatliches Gericht muss die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers einerseits und die Interessen des kirchlichen Arbeitgebers andererseits gegeneinander abwägen. Und zu den schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers gehört möglicherweise auch der verfassungsrechtliche Schutz einer weiteren Ehe nach der Scheidung (Hammer, a.a.O.).
Prof. Hammer kommt im Ausgangsfall - der Kündigung eines geschiedenen Chefarztes wegen der zweiten Ehe - zum Ergebnis:
Nach diesen Grundsätzen müsste sich die Kündigung eines Chefarztes im Ausgangsfall bei erneuter Prüfung durch das BAG erneut als sozial ungerechtfertigt erweisen.

Schlussfolgerung: Wenn eine Synode von Theologen feststellt, dass die Farbe des Himmels als „grün“ zu bezeichnen ist, dann mag das theologisch richtig sein. Eine Verpflichtung der Beschäftigten, die Farbe „blau“ künftig als „grün“ zu bezeichnen, ergibt sich daraus noch lange nicht.  Und selbst, wenn sich eine solche Verpflichtung im Arbeitsvertrag findet, dann ist noch lange nicht sicher, ob eine Kündigung gerechtfertigt ist, wenn kirchliche Arbeitnehmer weiterhin hartnäckig die Farbe des Himmels mit "blau" bezeichnet.

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