Freitag, 24. Mai 2013

„Winterberg - Auf. Schrei“ der ver.di Betriebsgruppe im Klinikum Saarbrücken

Die ver.di Betriebsgruppe im Klinikum Saarbrücken greift zu ungewöhnlichen Maßnahmen, um den zunehmenden Notstand in deutschen Kliniken zu zeigen. Mit einer vierundzwanzigstündigen Mahnwache wurde am Mittwoch vor dem Saarbrücker Rathaus ein unübersehbares Zeichen gesetzt. Die Kolleginnen und Kollegen demonstrieren dabei gegen den Notstand der gesamten Branche - das ist gelebte Solidarität auch mit den Beschäftigten in den kirchlichen Krankenhäusern. Und es zeigt, welche Signalwirkung eine Betriebsgruppe entfalten kann.
Wir gratulieren zu einer hervorragenden Idee und einer überaus gelungenen Durchführung!

Während sich manche Vertreter kirchlicher Einrichtungen (und ihrer MitarbeiterInnen) noch überlegen, ob man mit Vertretern der Gewerkschaft ver.di überhaupt gesehen werden darf, setzen die katholischen Klinikseelsorgerinnen und -seelsorger im Saarland / Bistum Trier inzwischen ein Zeichen. Wir dokumentieren hier deren Stellungnahme als Beispiel für Solidarität auch von kirchlichen Beschäftigten:
Stellungnahme
der katholischen Klinikseelsorgerinnen und –seelsorger im Saarland/Bistum Trier
zum „Auf.Schrei“ der ver.di-Betriebsgruppe im Klinikum Saarbrücken und zur Mahnwache am 22.05.2013 vor dem Saarbrücker Rathaus


Die Saarländische Klinikseelsorgekonferenz solidarisiert sich mit dem „Aufschrei“ der Ver.di Betriebsgruppe am Klinikum Saarbrücken. Auf ihrer Konferenz im Marienkrankenhaus St. Wendel beschloss sie folgende Stellungnahme:

„Winterberg ist überall!!!

„Endlich trauen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Mund auf zu machen und ihren Frust und ihre Wut herauszuschreien.“, so Hermann-Josef Mayers, Sprecher der katholischen Klinikseelsorgerinnen und -seelsorger im Saarland. „Es brodelt schon seit Jahren. Die Personalsituation vor allem in der Pflege ist untragbar, nicht allein auf dem Winterberg, sondern in allen saarländischen Krankenhäusern, ja bundesweit!“
Wir haben es mit einer immer rasanter fortschreitenden Ökonomisierung aller Arbeitsbereiche im Krankenhauswesen zu tun. Das ist politisch gewollt. Seit Mitte der 90er Jahre haben wir es mit einem Wandel in der Finanzierung der Krankenhäuser zu tun. Waren die Krankenhäuser bis dahin finanziell abgesichert durch die Bundesländer und die Krankenkassen, müssen die Krankenhäuser heute gewinnbringend arbeiten. Die Einnahmen werden durch die Einführung des Fallpauschalensystems begrenzt, um den ständig steigenden Kosten Einhalt zu gebieten. So ist ein gnadenloser Konkurrenzkampf entstanden um die Effizienz im Krankenhauswesen, der viele Krankenhäuser an den Rand ihrer Existenz bringt und darüber hinaus. Krankenhäuser müssen schließen, vor allem die kleineren, weil sie unrentabel geworden sind. Andere müssen fusionieren, um am Markt bestehen zu können. Die strategische Ausrichtung der Fachabteilungen wird immer mehr nach rein ökonomischen Gesichtspunkten lanciert, d.h. ein Krankenhaus, das möglichst gewinnbringend arbeiten will, muss die Fachabteilungen aufbauen, die das meiste Geld bringen. Das gilt auch für die kirchlichen Krankenhäuser. Der immense Kostendruck führt zu permanentem Personalabbau, vor allem in der Pflege. Die Pflegenden sind enorm unter Druck geraten! Die Arbeitsbelastung auf Station ist in den letzten 15 Jahren extrem gestiegen. Während in Deutschland jede 7. Vollzeitstelle in der Pflege ersatzlos gestrichen wurde, wurde auf Station die Arbeit durch die Halbierung der Aufenthaltsdauer extrem verdichtet. Auf die seelischen Belange der Patienten kann kaum noch eingegangen werden. Patienten und Angehörige werden allein gelassen und sind oft überfordert.
Das bedeutet für die Pflegenden:
Keine Zeit mehr für eine gute Pflege! Keine Zeit mehr, die immer mehr anwachsende Arbeit verantwortlich und sorgfältig zu bewältigen! Keine Zeit mehr für den Patienten und seine Bedürfnisse, Sorgen und Ängste! Keine Zeit für eine Pflege, die den Patienten als Menschen im Blick behält.
Pflegende stehen zudem unter dem Druck von Unternehmensleitbildern, die einen hohen ethischen Anspruch auch an die Pflege formulieren. Gleichzeitig müssen sie ohnmächtig mit ansehen, wie die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit immer weiter auseinander geht. Stress, Schlaflosigkeit, Versagensängste, permanente Überforderung, Druck und Rastlosigkeit machen sie mürbe und kaputt. Burnout ist keine Modekrankheit, wie oft polemisierend gegen die Mitarbeitenden geschossen wird, sondern ein Symtom für eine körperlich und seelisch krankmachende dauerhafte Überforderung in der Arbeit im Krankenhaus.
Klinikseelsorge kann und darf dazu nicht schweigen. Sie muss Partei ergreifen für die Beschäftigen, wenn sie am christlichen Menschenbild ausgerichtet bleiben will.
Wir fordern deshalb unsere Politiker im Saarland dazu auf, die Augen vor dieser Misere nicht zu verschließen. Diese Misere lässt sich nur politisch lösen, indem unsere Krankenhäuser wieder ausreichend finanziert werden. Wir fordern die Krankenhausträger auf, sich nicht in einem gnadenlosen Verdrängungswettkampf aufzureiben, sondern sich zu solidarisieren und politische Lösungen dieser Misere von der Politik einzufordern. Der Stellenabbau in der Pflege muss ein Ende haben!!! Damit muss endgültig Schluss sein. Der Winterberg ist überall!“


Saarbrücken, 22.05.2013

Für die Konferenz der Katholischen Klinikseelsorger im Saarland/ Bistum Trier
c/o Hermann-Josef Mayers
Rheinstr. 2
66113 Saarbrücken
h-j.mayers@caritasklinikum.de
Tel.: 0681/406-2862



-----------
"Und geben Sie den Hinweis auf diesen Blog auch an Freunde und Kolleginnen und Kollegen weiter! Denn nur in einer großen Gemeinschaft kommen wir voran!" FlyerzumBlog

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen




Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.