Mittwoch, 31. Dezember 2014

Wochenrückblick: kirchliches Arbeitsrecht in den Medien

In der letzte halben Woche des Jahres haben wir den Blick in Zeitungen und ihre Internetpräsenzen doch nicht ganz vermeiden können. Im letzten Wochenrückblick des Jahres müssen wir dann doch nochmal auf einen Artikel zurückkommen, der die uns interessierenden Themen und den medialen Blick darauf  symptomatisch zusammenfasst - und damit fast einen konzentrierten Jahresrückblick ermöglicht.
(Unser Fazit: auch im Jahr 2015 gibt es für die kritische Begleitung und Würdigung der Arbeitsverhältnisse bei den Kirchen noch unendlich viel zu tun!)

28.12.2014 - Die Welt befasst sich unter dem Titel "Selbst die Kirchen in Bayern sind in der Krise" mit verschiedenen Aspekten der gesellschaftlichen Lage und finanziellen Verfassung der Kirchen. Die uns besonders interessierende Passage

"Dass wegen der Personalkosten noch keine kirchlichen Einrichtungen geschlossen wurden, hat mit einem besonderen Privileg der Kirchen zu tun: Sie sind seit der Weimarer Republik nicht an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gebunden. Das bedeutet vielerorts viel niedrigere Löhne – von Lohndumping reden die Gewerkschaften vor allem in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Doch auch hier ist Bayern eine rühmliche Ausnahme – das bestätigt sogar die Gewerkschaft. Der größte kirchliche Arbeitgeber in Bayern – die Caritas – etwa orientiere sich an den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes und des Tarifs im öffentlichen Dienst. Die meisten kirchlichen Mitarbeiter sind also nicht arm wie eine Kirchenmaus."
enthält allerdings doch eine Reihe von Merkwürdigkeiten, zu denen wir ein paar Anmerkungen nicht verkneifen können:

  • in der Weimar Republik waren die Kirchen nicht an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gebunden. Ein Privileg, nicht an einen Tarifvertrag gebunden zu sein, gibt es auch nicht; an einen Tarifvertrag sind ohnehin nur die tarifschließenden Parteien gebunden.
    Allerdings wurden die Kirchen ab 1938/39 gezwungen, auf den Abschluss von Tarifverträgen mit Gewerkschaften zu verzichten. Sie mussten Arbeitsverträge "im Rahmen des für alle geltenden Gesetzes" nach den Tarifordnungen (TO) des "Dritten Reiches" abschließen, der die NS-Ideologie der "Dienst-" und "Betriebsgemeinschaft" sowie der "Volksgemeinschaft" zugrunde lag. Und während der Staat mit dem Tarifvertragsgesetz die Möglichkeit für Tarifverträge wieder eröffnete, haben beide Kirchen an der Ideologie der "Dienstgemeinschaft" festgehalten und Tarifverträge verweigert. *)  
  • Welche Gewerkschaften von welchen Lohndumping-Dingen reden ist auch etwas nebulös. Die Caritas in Bayern orientiert sich zwar weitgehend am TVöD, übernimmt diesen aber immer später und gelegentlich mit kleinen Einbußen. Von einer Orientierung der Diakonie am TVöD können nur Witzbolde reden. **)  
  • Die Caritas orientiert sich natürlich überhaupt nicht am Betriebsverfassungsgesetz sondern an der Mitarbeitervertretungsordnung in ihrer bayerischen Fassung (Vorsitzende müssen hier, anders als in der heidnischen Restrepublik katholisch sein) ***). 
Dass die meisten kirchlichen Mitarbeiter (in Bayern) nicht so arm wie Kirchenmäuse sind, können wir bestätigen. Die Orientierung an den Früchten der Tarifarbeit des öffentlichen Dienstes ist doch sehr hoch.
(Welche Gewerkschaft das mit der "rühmlichen Ausnahme" "bestätigt" hat, wüssten wir ja schon gerne.)

*)
Das haben wir schon am 29. Oktober 2013 unter Bezug auf Lührs und andere Quellen ausführlich dargelegt.
Die Möglichkeit (auch) der Kirchen zum Verzicht auf Tarifverträge hat also nichts mit weit überdehnten verfassungsrechtlichen Privilegien zu tun, sondern resultiert letztlich aus der verfassungsrechtlich garantierten (auch negativen) Koalitionsfreiheit, wonach nur die Gewerkschaftsmitglieder einen Arbeitgeber zum Abschluss von Tarifverträgen bewegen dürfen (bis hin zum Erzwingungsstreik), während sich der Staat aus diesen Verhandlungen "heraus hält".

**)
Und weil das so ist, haben (bisher nur) Gewerkschaftsmitglieder in diakonischen Einrichtungen zur Arbeitskampfmaßnahmen gegriffen.
Allerdings haben wir oft genug bedauert, dass die katholische Kirche - entgegen der eigenen Soziallehre und den Vorgaben des päpstlichen Lehramtes - an einer im Grundsatz kirchenfeindlichen Regelung festhalten, die ihr im "Dritten Reich" aufgezwungen wurde.
Wie verheerend das im Bereich der caritativen Dienste ist (Stichwort: Refinanzierung nach Lohnkostenwettbewerb), brauchen wir nicht auch noch zu wiederholen.

***)
Die Mitarbeitervertretungsordung (MAVO) ist ein sehr abgespecktes Derivat der Personalvertretungsgesetze, welche die Bischöfe im Hinblick auf die Konstituierung der öffentlich-rechtlich "verfassten Diözesen" (als Körperschafen des öffentlichen Rechts) zugrunde gelegt haben. Allerdings, ohne dabei all zu viel Gedanken auf die Bedürfnisse der Caritas als kirchlicher Wohlfahrtsverein mit vielen unterschiedlichen Mitgliedern zu verschwenden.

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