Dienstag, 3. Mai 2016

Bayerisches Integrationsgesetz - wer gilt eigentlich als Einwanderer?

bisher hatten wir den Eindruck nicht entkräftet, das "bayerische Integrationsgesetz" sei speziell für die Integration von Flüchtlingen insbesondere aus musliischen Ländern gedacht. Das ist ein falscher Eindruck. Wie wir bereits vor zwei Wochen erläutert haben, ist es nur eine verschwindend geringe Zahl von Personen, die - auch dank der Aktivitäten der Türkei an der syrischen Grenze - noch den Weg nach Bayern finden. Diese wenigen Personen können wohl keine Gefährdung einer hier heimischen "bayrischen Leitkultur" auslösen. Und darum geht es wohl auch gar nicht.
Wie schon der Verpflichtung auf die "bayrische Leitkultur" deutlich macht, geht es um die Integration von Nichtbayern, also etwa auch von argentinischen Gastarbeitern (falls diese den Weg aus Rom finden sollten), Südtriolern oder Westfalen. Das wird schon aus dem Wortlaut des Gesetzentwurfes deutlich:
(3) Die Regelungen dieses Gesetzes über die Integrationsförderung gelten entsprechend für Deutsche, die in besonderer Weise integrationsbedürftig sind und
1. außerhalb der heutigen Grenzen der Bundesrepublik Deutschlands *) geboren und nach 1955 in das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland *) zugewandert sind oder
2. zumindest einen Eltern- oder Großelternteil haben, der die Bedingungen der Nr. 1 erfüllt.
....
(Art. 2 Abs. 3, Begriffsbestimmungen)
Bei der Begriffsbestimmung werden also auch die Personen als Einwanderinnen und Einwanderer genannt, die aus Österreich, aus Südtirol oder einem anderen EU-Mitgliedsstaat kommen, oder die längst die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, - aber "zumindest einen Eltern- oder Großelternteil (!!!!) haben, der eingewandert ist (der Begriff des "Viertelseinwanderers" ist geschaffen).
Auch für diese Personen sollen die Regelungen des Gesetzes gelten. Sie sind daher wohl auch den Verpflichtungen und Sanktionen des Gesetzes unterworfen.




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Anmerkungen:
*)
In Deutschland hat jede fünfte Person einen Migrationshintergrund – in Westdeutschland fast jede vierte, in Ostdeutschland nicht einmal jede zwanzigste Person. Von allen Personen mit Migrationshintergrund sind zwei Drittel selbst eingewandert und ein Drittel ist in Deutschland geboren. Weit über die Hälfte der Personen mit Migrationshintergrund sind Deutsche. Mittelfristig wird sich der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund weiter erhöhen.
Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung Stand 31.12.2015

Das Gesetz scheint hier einen systematischen Fehler aufzuweisen.
Wie wir bereits letzte Woche erörtert haben, geht es um den Schutz der bayerischen Leitkultur. Selbst Deutsche, deren Vorfahren in 'zig Generationen außerhalb Bayerns lebten, können in ihrer Lebensart der bayrischen Leitkultur fremd sein.
Konsequent müsste es also - wenn es um die Sicherung der bayerischen Leitkultur geht - richtig heißen:
(3) 1Die Regelungen dieses Gesetzes über die Integrationsförderung gelten entsprechend für Deutsche, die in besonderer Weise integrationsbedürftig sind und
1. außerhalb der heutigen Grenzen des Freistaates Bayern geboren und nach 1955 in das heutige Gebiet des Freistaates Bayern zugewandert sind oder
2. zumindest einen Eltern- oder Großelternteil haben, der die Bedingungen der Nr. 1 erfüllt.
....
Damit würde dann auch ein Bezug zur bayerischen Verfassung hergestellt. Das steht einem bayerischen Landesgesetz, das die Integration in die bayerische Landeskultur zum Ziel hat, gut an. In dieser am 8. Dezember 1946 in Kraft getretenen bayerischen Verfassung heißt es:
...
Art. 3
(1) 1Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat.2Er dient dem Gemeinwohl.

(2) 1Der Staat schützt die natürlichen Lebensgrundlagen und die kulturelle Überlieferung.2Er fördert und sichert gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern, in Stadt und Land.
...
Art. 6
(1) Die Staatsangehörigkeit wird erworben
1. durch Geburt;
2. durch Legitimation;
3. durch Eheschließung;
4. durch Einbürgerung.
...
Art. 7
(1) Staatsbürger ist ohne Unterschied der Geburt, der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens und des Berufs jeder Staatsangehörige, der das 18. Lebensjahr vollendet hat.
...
Art. 8
Alle deutschen Staatsangehörigen, die in Bayern ihren Wohnsitz haben, besitzen die gleichen Rechte und haben die gleichen Pflichten wie die bayerischen Staatsangehörigen.
ja gut - den Art. 8 muss man mit dem Halbsatz "besitzen die gleichen Rechte" nicht unbedingt zitieren. Aber es geht bei dem Gesetz ja auch um die Verpflichtung zu Integration in die bayerische Leitkultur, und da verpflichtet nun gerade Art. 8 alle deutschen Staatsangehörigen (haben die gleichen Pflichten) genauso wie die bayerischen Staatsangehörigen selbst.

Die bayerische Verfassung ist im Übrigen - zumindest nach Wikipedia - ein einzigartiges Dokument:
Die Verfassung garantiert die klassischen Grundrechte der Menschenwürde, der persönlichen Freiheit und allgemeinen Gleichheit, der Freizügigkeit, der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit und des Privateigentums. Darüber hinaus garantiert sie das Prinzip nulla poena sine lege, das Asylrecht, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, die Forschungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Petitionsrecht. Im Artikel 123 ist zusätzlich ein Recht auf angemessene Besteuerung verankert.

Im Unterschied zu vielen anderen Verfassungen enthält die Bayerische Verfassung auch eine Reihe programmatischer Grundpflichten der Bürger, so die allgemeine „Treuepflicht gegenüber Volk und Verfassung“, das Verbot des Völker- und Rassenhasses, die Pflicht zur Übernahme von Ehrenämtern sowie eine gegenseitige Hilfspflicht bei „Unglücksfällen, Notständen und Naturkatastrophen und im nachbarlichen Verkehr“.
(Das mit dem Asylrecht und anderen Punkten muss man ja nicht allzu laut sagen)


**)
1.bayisch ist, wer bayerischer Staatsbürger ist;
2."Vollbayer" war, wer mindestens drei bayerische Großeltern hat
3."bayischer Mischling" ist, wer ein oder zwei vollbayerische Großeltern hat
+ Mischling 1. Grades: Halbbayer
+ Mischling 2. Grades: Viertelbayer
4."Halbbayer" ist, wer zwei bayerische Großeltern hat
5.Mischlinge 1. Grades gelten als Bayern, wenn sie bei oder nach dem Erlass des bayerischen Staatsangehörigkeitsgesetzes die bayerische Staatsangehörigkeit erhalten haben
6."Halbbayern" werden wie Bayern behandelt, wenn sie bei oder nach Erlass des Staatsangehörigkeitsgesetzes mit einem Bayern verheiratet sind
7.Mischlinge 1. Grades galten auch dann nicht als Bayern, wenn sie aus einer unehelichen Verbindung stammen
8."Viertelbayer" ist, wer ein bayerisches Großelternteil hat


Bisherige Berichte zum Thema:
Aus gegebenem Anlass: Fakten - Fakten - Fakten (1) (18.04.2016)
Flüchtlinge - Fakten - Fakten - Fakten (2) (18.04.2016)
Bayerisches Integrationsgesetz - und bayerische Leitkultur (25.04.2016)

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