Donnerstag, 20. Oktober 2016

5 Jahre Magdeburg - in ökumenischer Gegnerschaft zu Gewerkschaften und Tarifverträgen

Unter dem Titel "Wort und Tat bei EKD und Diakonie" befasst sich Streikrecht-ist-Grundrecht mit den diakonischen Versprechungen zur "solidarischen Ausgestaltung des kirchlichen Arbeitsrechts".

Fünf Jahre nach der EKD Synode 2011 in Magdeburg zum Arbeitsrecht der Kirchen hat ver.di eine Bestandsaufnahme veröffentlicht.
Fazit: Kaum etwas geschehen. Die Forderungen der EKD finden kaum Gehör in diakonischen Unternehmen.





Auch wir Katholiken können einen Blick auf 5 Jahre Magdeburg werfen, genauer: auf die Magdeburger Erklärung, die am 10. November 2011 (in ökumenischer Solidarität gegen die katholische Soziallehre) verabschiedet wurde und die von der Mitarbeiterseite der Zentral-Koda offensichtlich zu den wichtigsten Ereignissen der vergangenen 5 Jahre gezählt wird.

In der Magdeburger Erklärung der Zentral-KODA
zur aktuellen Diskussion über den Dritten Weg der Kirchen im Arbeitsrechtsregelungsverfahren heißt es unter anderem:



Das kirchliche Arbeitsvertragsrecht ist im Vergleich zu den auf dem Wege des staatli­chen Tarifrechts gefundenen Regelungen ein gleichwertiges Vertragsrecht.

Ja - aber: Man wartet ab, welche Ergebnisse in den Tarifauseinandersetzungen des Öffentlichen Dienstes nach Verhandlungen und gelegentlichen Arbeitskämpfen herauskommen und schreibt diese dann grob ab (bei der Caritas im nichtärztlichen Dienst inzwischen mit wachsender Verzögerung):
Das Ver­gütungsniveau im Dienst der Katholischen Kirche entspricht im Wesentlichen dem des öffentlichen Dienstes.
Ja - aber: Verzögert.
Einzelne Regelungen sehen für bestimmte Tätigkeiten auch ein höheres Vergütungsniveau vor.
Eher bei Tätigkeiten der oberen Vergütungsgruppen als der unteren Vergütungsgruppen (oben wegen der Attraktivität als Arbeitgeber, unten wegen dem Markt...)

 Da alle tariflichen Regelungen in allen kirchlichen Einrichtungen nach bischöflichem Gesetz bzw. nach der Grundordnung anzuwenden sind, herrschen bei der katholischen Kirche und ihrer Caritas eine Tarifdichte und Tarifanwendungsbreite, wie sie weder bei nichtkirchlichen Wohlfahrtsverbänden noch in sonstigen Branchen mit ähnlichen klein- oder mittelbetrieblichen Strukturen zu finden sind.
Das System, an dem man sich misst, ist der öffentliche Dienst und dieser spaltet sich vielleicht noch in ein Bund-/Kommunal-  und ein Länder-System (die Kirchen haben 6 Caritas-Regionen und zusätzlich einige von Diözesan- oder Regional-Kodaen bediente Flächen!), aber ansonsten ist stolz hochgehaltene "Tarifdichte und Tarifanwendungsbreite" kein Alleinstellungsmerkmal der Katholiken!
Es kann zwar nicht bestritten werden, dass in einer Reihe von Einrichtungen die geltenden KODA- oder AK-Beschlüsse nicht angewendet werden; Tarifflucht ist indes kein spezifisches Problem des kirchlichen Arbeitsrechts, sondern stellt auch die Tarifvertragsparteien im weltlichen Arbeitsvertragsrecht vor Herausforderungen. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass Abweichungen von den Regelungen des Dritten Weges meist einer nicht ausreichenden staatlichen Refinanzierung geschuldet sind und somit eine Reaktion auf Strukturmängel darstellen, die von der Politik angegangen werden müssen. All dies stellt aber nicht die gesamte kirchliche Tarifgestaltung im Grundsatz in Frage.
Tarifflucht kein spezifisches Problem des kirchlichen Arbeitsrechts? Natürlich nicht: die Tarifflucht ist die Grundlage des kirchlichen Arbeitsrechts. Man verwehrt den Beschäftigten den Abschluß von Tarifverträgen und signalisiert ihnen, dass man auch ohne sich solidarisch gewerkschaftlich zu organisieren zu attraktiven Tarifen gelangen kann und macht, wenn das nicht mehr klappt, die "nicht ausreichende staatliche Refinanzierung" verantwortlich und "Strukturmängel",  "die von der Politik angegangen werden müssen."

Was der 3. Weg im Blick auf die Tugend der Solidarität bei den Beschäftigten und Glaubwürdigkeit von Kirche und Caritas anrichtet, kann man kaum ermessen.

Manche Texte kann man auch nach Jahren noch mit Gewinn lesen:
"Tarifverträge sind Formen der friedlichen Konfliktregelung, und diese friedliche Konfliktregelung auf gleicher Augenhöhe, das ist beispielsweise für die katholische Kirche etwas, was so im Verständnis der Bischöfe, aber auch im Verständnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihrer Vertretungen, also der Mitarbeitervertretungen, eher gefürchtet wird."
(Friedhelm Hengsbach, SJ, im Interview mit Deutschlandradio Kultur:
Lohndumping und (von den Arbeitgebern behauptetes) Streikverbot in der Kirche



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