Dienstag, 21. März 2017

"Irrlehre" und "Götzenkult" - 80 Jahre "Mit brennender Sorge"

Vor 80 Jahren wurde eine gerade für Deutschland wichtige Enzyklika
veröffentlicht:

Am 21. März 1937 stand fest: Eine der spektakulärsten Geheimaktionen des Vatikans war geglückt - und Nazideutschland düpiert. In allen 11.500 Gemeinden des "Dritten Reichs" verlasen Priester im Sonntagsgottesdienst zeitgleich das Lehrschreiben von Papst Pius XI. und verteilten schließlich 300.000 Kopien des Textes an die Gläubigen. "Mit brennender Sorge" war mehr als eine sonst für Papstenzykliken übliche langatmige theologische Abhandlung - sie war ein Brandbrief. Mit beißenden Worten kritisierte der Papst darin die Hitlerdiktatur.
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"Wer die Rasse, oder das Volk, [...] zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge. "

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Quelle: www.spiegel.de

Mit diesen Worten hatte sich der Papst deutlich gegen Bestrebungen gestellt, die mit Begriffen wie "Volksgemeinschaft", "Betriebsgemeinschaft" oder "Dienstgemeinschaft" einen Kampfbegriff gegen die Gewerkschaften geprägt hatten.
Mit dem "Gesetz über Betriebsvertretungen und über wirtschaftliche Vereinigungen" vom 4. April 1933 wurde die Betätigungsmöglichkeit der (kurz vorher gewählten) Betriebsräte beschnitten, kritische Betriebsräte wurden aus dem Amt gedrängt, Wenige Tage nach der Zerschlagung der Gewerkschaften wurde am 10. Mai 1933 die Deutsche Arbeitsfront (DAF) als "Ersatzorganisation" gegründet. Sie sollte "durch Bildung einer wirklichen Volks- und Leistungsgemeinschaft, die dem Klassenkampfgedanken abgeschworen hat" die Interessen "aller schaffenden Deutschen" wahrnehmen. Am 19. Mai 1933 wurde das "Gesetz über Treuhänder der Arbeit" erlassen. Diese vom Reichskanzler ernannten "Treuhänder" sollten - an Richtlinien und Weisungen der Reichsregierung gebunden - an der Stelle der Vereinigungen von Arbeitnehmern, einzelner Arbeitgeber oder der Vereinigungen von Arbeitgebern rechtsverbindlich für die beteiligten Personen die Bedingungen für den Abschluss von Arbeitsverträgen regeln.
Deutschlands Nationalsozialisten hatten damit nach dem Vorbild des faschistischen Italien kooperative Regelungen eingeführt, die schon sehr früh auf päpstliche Kritik gestoßen waren (Papst Pius XI. in Nr. 91 ff der Sozialenzyklika "Quadragesimo anno" vom 15. Mai 1931).

Es war ein bemerkenswerter Schritt, den Pius XII. da vollzogen hatte. Denn noch in seiner Zeit als Nuntius in München hate Pacelli den ersten bayerischen Ministerpräsidenten, den Berliner Eisner als "Atheist, radikaler Sozialist, enger Freund der russischen Nilisten .. und obendrein noch gallizischer Jude" bezeichnet, und mit dieser Aufzählung von Gründen dargelegt, warum er als Nuntius den Ministerpräsidenten nicht treffen wollte. *)

Heute wird diese "Strategie Pacellis, den bayerischen Ministerpräsidenten Eisner zu missachten und eine Begegnung zu verhinden, als >vertane Chance< bezeichnet.
Grund für dieses anfängliche Zögern dürfte die allzu menschliche Angst vor dem "Unbekannten" gewesen sein, vor dem Verlust der alten Ordnung und einem befürchteten Chaos. Auch Münchens Kardinal Faulhaber hatte den Kopf nicht frei, um objektiv die Chancen zu begreifen, die mit der Demokratie und bayerischen Republik einhergehen konnten (vgl. Leugers, *) S. 114 f).
Diese Fehleinschätzung gipfelte im "Reichskonkordat" vom 20. Juli 1933, mit dem der politische Katholizismus (das Zentrum) und ein Großteil der katholischen Verbände – einschließlich der Gewerkschaften, jedoch nicht die Caritas - aufgegeben wurde.
(vgl. dazu Scholder Klaus: „Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 1, Vorgeschichte und Zeit der Illusionen, 1918 – 1934, Berlin 1977, dort die Abschnitte zum Konkordat – danach war es das Hauptziel des Vatikans (Pacelli), den CIC 1917 (und damit vorrangig die Strukturen der verfassten Kirche) durch den Staat gesichert zu bekommen.
Nur wenige Jahre später scheint der Papst Pius XII. seinen Irrtum erkannt zu haben - die veröffentlichte Enzyklika kam aber zu spät. Die Gewerkschaften und damit die Arbeitnehmer waren für die Kirche verloren.


Heute weigern sich namhafte Vertreter der katholischen Kirche in Deutschland immer noch, das unter dem Motto "Brücken bauen" ergangene Diskussions- und Gesprächsangebot von namhaften Vertretern der für die Kirchen im DGB zuständigen Gewerkschaft ver.di anzunehmen.
Gleichzeitig nimmt die Furcht vor Unbekannten zu. Auch heute droht die Abschottung gegenüber "Fremden". Allenthalben lässt sich feststellen, dass Mauern geplant oder gebaut werden - Mauern, die dazu dienen, Menschen in Not abzuwehren. Können wir es uns als Menschen, als Christen und Gewerkschafter, wirklich leisten, nicht miteinander zu reden - um der Menschen willen?
Papst Franziskus@Pontifex_de "twitterte" am 18. Februar des Jahres:
Wie oft hat uns der Herr in der Bibel gebeten, Migranten und Fremde aufzunehmen und uns daran erinnert, dass wir selbst Fremde sind!
Wenn man diese Appelle mit heutigen Parteiprogrammen oder Gesetzesinitiativen ("Leitkultur") vergleicht, dann muss man sich fragen, ob sich heutige Politiker an diesem Maßstab messen lassen.
= mit dem Slogan "Amercia first" und massiver Kritik an der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel ist D.Trump in den US-Wahlen letzten Jahres angetreten;
= Parteiprogramm AfD
= Integrationsgesetz Bayern

Wäre die Enzyklika als Wahlprüfstein für das heutige Deutschland geeignet?

Aber Schluss mit aktuellen Spekulationen und zurück zur Enzyklika:
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"Das Volk lauschte mit größter Ergriffenheit. Die Sonderdrucke wurden den Verteilern aus der Hand gerissen, weil alle ein Exemplar mit heimbringen wollten", berichtete Kardinal Michael von Faulhaber, der ursprüngliche Verfasser, stolz an den Papst.
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Die Enzyklika wurde nicht wie sonst auf Latein verfasst, sondern als erstes und bis heute einziges Lehrschreiben überhaupt in deutscher Sprache. Worum es darin gehen sollte, machte schon die Überschrift klar: "Über die Lage der katholischen Kirche in Deutschland." Unmissverständlich warf der Papst der Reichsregierung darin in Bezug auf das Konkordat vor "die Vertragsumdeutung, die Vertragsumgehung, die Vertragsaushöhlung, schließlich die mehr oder minder öffentliche Vertragsverletzung zum ungeschriebenen Gesetz des Handelns gemacht" zu haben.
...
Quelle: www.spiegel.de


*) Quelle:
Angela Hermann bei Antonia Leugers (Hg.) in "zwischen Revolutionsschock und Schulddebatte - Münchner Katholizismus und Protestantismus im 20. Jhdt." in "theologie.geschichte", Beiheft 7, Universitätsverlag des Saarlandes, S. 43 m.w.N.

**)
(Angela Hermann, a.a.O., S. 40 unter Bezug auf Klaus Unterburger, am 20.03.2012 im Archiv des Erzbistums München und Freising)

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