Mittwoch, 20. September 2017

Was könnte man tun, um Ungleichheit zu reduzieren?

Politik und Sozialpartner können auf vielen verschiedenen Ebenen etwas bewirken.

Bildung: Der kostenlose oder staatlich gestützte Zugang zu frühkindlicher Bildung, aber auch zu höheren Bildungseinrichtungen ist ein zentrales Element, um Chancengleichheit zu gewährleisten und soziale Mobilität zu ermöglichen.

Gewerkschaftlicher Organisationsgrad: Gemäß Forscherinnen des Internationalen Währungsfonds steigt die Einkommensungleichheit mit fallendem Einfluss von Gewerkschaften an. Dies ist neben einer sinkenden Verhandlungsmacht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch darauf zurückzuführen, dass starke Gewerkschaften über ihre politische Einflussnahme einen umverteilenden Wohlfahrtstaat fördern. Eine Stärkung des gewerkschaftlichen Organisationsgrads sollte folglich eine ungleichheitsmindernde Wirkung haben.


Mindestlohn: Auch ein gesetzlicher Mindestlohn kann helfen, Ungleichheit zu reduzieren, ohne dabei, wie oft befürchtet, negative Beschäftigungseffekte aus- zulösen. Wie die Studie von Jaumotte und Buitron (2015) zeigt, ist aber darauf zu achten, dass der Mindestlohn auch regelmäßig an die Entwicklung der Durchschnittseinkommen angepasst wird. Anderenfalls könnten Bezieherinnen und Bezieher des Mindestlohns hinter der allgemeinen Lohnentwicklung zurückbleiben und die Einkommensungleichheit zunehmen.

Progressive Besteuerung: Für die meisten Einkommenskategorien gilt eine progressive Einkommensbesteuerung, wodurch hohe Einkommen einem höheren durchschnittlichen Steuersatz unterliegen. Kapitalerträge werden hingegen einheitlich mit 25 Prozent versteuert. Im Vergleich dazu liegt der Spitzensteuersatz mit 45 Prozent wesentlich höher. Würde man Kapitalerträge, die insbesondere bei Spitzenverdienern konzentriert sind, wie früher im Einklang mit anderen Ein- kommensarten versteuern, würden sie einer stärkeren Besteuerung unterworfen. Eine solche synthetische Einkommensteuer auf Kapitalerträge wurde von Finanzminister Wolfgang Schäuble jüngst ins Gespräch gebracht. Allerdings ist auch bei der Einkommensteuer seit den 1980er Jahren ein starker Rückgang der Progressivität festzustellen. Während 1981 die Spitzensteuersätze für Einkommen im OECD-Durchschnitt noch bei 66 Prozent lagen, betrug der Durchschnitt im Jahr 2010 nur noch 42 Prozent (Förster et al. 2010). Die Umverteilungswirkung des Steuersystems wurde dadurch erheblich geschwächt. Mit den Mehreinnahmen durch progressivere Steuern ließen sich beispielsweise höhere Bildungsausgaben finanzieren.

Steuervermeidung und Steuerhinterziehung: Mit den Panama-Papers, den soge- nannten Cum-Ex-Geschäften und Patentboxen seien nur drei jüngst bekannt gewordene Fälle von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung genannt, die zu einer ungleicheren Einkommens- und Vermögensverteilung beitragen. Eine effektivere Besteuerung dieser Gewinne und Vermögen hingegen würde die Un- gleichheit reduzieren helfen. Expertenschätzungen ergeben, dass der gesamte Schaden aus Steuervermeidung und Steuerhinterziehung für den deutschen Fiskus jährlich etwa 50 Mrd. Euro beträgt.

Vermögensteuer und Erbschaftsteuer: Da Vermögen noch wesentlich ungleicher verteilt sind als Einkommen und über Zinserträge auch zur Einkommensungleichheit beitragen, kann eine auf hohe Vermögen konzentrierte Vermögen- steuer helfen, die Ungleichheit reduzieren (Bach und Thiemann 2016). Eine stärker progressive Besteuerung von leistungslosen Einkünften wie Erbschaften ist ein zentrales Element um Chancengleichheit und soziale Mobilität zu fördern (Piketty et al. 2013). Dabei geht es nicht um „Omas Häuschen“, das durch die üblichen Freibeträge nicht von Erbschaftsteuer betroffen ist. Allerdings sorgen Verschonungsregeln für die Vererbung von Betriebsvermögen, die bei den Top- Vermögenden konzentriert sind, für eine effektiv niedrigere Besteuerung gerade hoher Erbschaften (Bach et al. 2010). Dabei dürfte bei gestreckter Steuerbelastung über mehrere Jahre der Fortbestand von Unternehmen durch die Erbschaftsteuer kaum gefährdet sein, es gibt also keinen triftigen Grund für die Verschonung (Rietzler et al. 2016). Deutschland weist unter den entwickelten Volkswirtschaften eine vergleichsweise geringe Besteuerung von Vermögen und Erbschaften auf.

Rentensystem: Im deutschen Rentenversicherungssystem wurde in den vergangenen Jahren in mehreren Schritten der umlagefinanzierte, paritätische Anteil geschwächt, während das kapitalgedeckte private System gefördert wurde. Im Vergleich zu anderen Ländern, wie etwa Österreich, sind zudem nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer pflichtversichert, während die in der Regel besserverdienenden Selbstständigen und Beamten eigene Versorgungssysteme haben. Die Nettoersatzquote des umlagefinanzierten Systems, also der Anteil der Nettorente am Verdienst eines/r Durchschnittsverdienenden, beträgt gerade einmal 50 Prozent. Das ist ein im internationalen Vergleich sehr niedriger Wert (in Öster reich beträgt die Nettoersatzquote 92 Prozent (vgl. Blank et al. 2016). Gerade Ärmeren fehlen jedoch trotz staatlicher Förderung oftmals die finanziellen Mittel zur privaten Altersvorsorge. Ein paritätisch finanziertes Umlagesystem, in das alle Erwerbseinkommen einzahlen, könnte demnach helfen, die drohende Verbreitung von Altersarmut erheblich zu reduzieren.

[Quelle und weitere vertiefende Informationen: WSI Verteilungsmonitor/Soziale Ungleichheit: Ausmass, Entwicklung, Folgen - pdf]

Zum selben Thema: IMK-Report 129 - Was tun gegen die Ungleichheit?



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