Mittwoch, 29. Januar 2014

Sorgt die Caritas selbst für Altersarmut?

Mit dieser Überschrift berichtete die "Welt" am 23. Januar über die Vergütungsauseinanersetzung bei der Caritas. Der Artikel fährt fort:
"Für einfache Jobs soll es im katholischen Verband künftig nur noch neun Euro pro Stunde geben. Dafür will man Fachkräfte mit mehr Geld ködern....
...

Noch vor den Tarifgesprächen der Caritas für 2014 haben die Arbeitgeber (sie heißen hier Dienstgeber) des Caritas-Bundesverbandes Pläne vorgelegt, die bei den Vertretern der Mitarbeiter, der Dienstnehmer, Empörung auslösen. Es geht um untere Lohngruppen.
Da verfassten die Dienstgeber ein Konzept zur "Einführung einer Vergütungsregelung für einfachste Caritas-spezifische Hilfstätigkeiten mit einem Stundenlohn von neun Euro".
...

Wenn Lohngruppen entstehen, in denen man faktisch auf die staatliche Altersgrundsicherung zuläuft, passt das schlecht zu bischöflichen Warnungen vor Altersarmut.
... "
Tatsache ist:
Im Dienstgeberbrief Nr. 1/2014 machen die Arbeitgeber der Caritas RK Mitte deutlich:
"Der Kampf gegen die exorbitante Höhe der Tarife bei den unteren Lohngruppen geht weiter".

Medienwirksam wird dagegen seitens kirchlicher Kreise (nur) ein höherer gesetzlicher Mindestlohn in der Pflege propagiert.


Ein "gesetzlicher Mindestlohn in der Pflege" wird von den Verantwortlichen der Caritas vielleicht noch mitgetragen, aber: flächendeckend soll das nach Meinung von Caritas Präsident Neher nicht gelten!
Wir fragen uns: was ist mit anderen Beschäftigten? Was ist mit denen, die in der Kleiderkammer oder in anderen Hilfstätigkeiten für die Caritas arbeiten? Sollen diese Beschäftigten in prekären Arbeitsverhältnissen tätig werden?
Wir haben am letzten Donnerstag, 23. Januar 2014, bereits unter der Überschrift:
Niedriglöhne zahlen und diese gleichzeitig kritisieren
auf einige Presseartikel hingewiesen, die diese Ungleichgewichtigkeit ansprechen.

Die Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes (ak.mas) fordert bundesweit einen gesetzlichen Mindestlohn von 9,70 Euro. Die ak.mas schließt sich damit einer Überlegung der KAB vom Mai 2012 an. Die KAB hat sich bei ihrer Ermittlung des Mindestlohnwertes von 9,70 € (der ohnehin nicht mehr aktuell sein kann) nicht auf die Problemlage Altersarmut bezogen. Hierzu gibt es doch die klaren Feststellungen bei Stefan Sell, dass bei 45 (!) Beitragsjahren (wenn wir uns recht erinnern) ein Stundenlohn von deutlich über 10,00 nötig ist, um auch im Alter auf ein Rentenniveau über der Grundsicherung zu kommen. 8,50 /9,- /9,70 - da ist es nun wirklich egal, wie hoch der Staat dann "aufstocken" muss. Damit reißt man die Latte der Grundsicherung im Alter nicht. Die von der Caritas offiziell noch unterstützten Mindestlöhne dienen doch eher nur dem Ziel, Schmutzkonkurrenz und den Betrug an den Sozialkassen zu begrenzen, und die Löhne etwas weniger prekär zu machen. Aber "etwas weniger prekär" ist immer noch prekär.
Und auch mit den von der ak.mas geforderten gesetzlichen Mindestlöhnen wird die Altersarmut nicht verhindert. Da helfen auch alle Appelle und politische Bekenntnisse des guten Willens nichts.

Wir greifen die Überlegung der schon zitierten "WELT" gerne auf, dass die Kirchen, wenn sie denn die Tarifsituation im Sozialbereich und die Altersarmut ernst nehmen wollen, nicht umhin kommen, massiv dafür zu werben, dass sich die Beschäftigten Verbands- und Trägerübergreifend organisieren. Denn der Trend geht dahin, dass der Bereich der privaten Träger von Pflegeeinrichtungen, der (tariflich) am schlechtesten organisiert ist, den Pflegemarkt tariflich aufmischt. Die Preiskonkurrenz dieser privaten Bieter kann weder durch die Gewerkschaften noch die kirchlichen Wohlfahrtsverbände auf getrennten Wegen beendet werden.

Und: wir brauchen höhere Mindestlöhne nicht nur in der Pflege, sondern für alle Beschäftigten.

Daher gilt:
Nur tarifvertragliche Mindestlöhne schaffen den Weg aus der Armutsfalle.
Wir brauchen tarifvertragliche Mindestlöhne und einen allgemein verbindlichen Sozialtarifvertrag. Das geht nur mit ver.di und Caritas und / oder Diakonie.
"Die Kirche hat das Recht auf gewerkschaftlichen Zusammenschluß anerkannt, verteidigt und gefördert." (Paul VI., 22.5.1966, Ansprache bei der 75-Jahrfeier von "Rerum Novarum, Nr. 5")

"... Es müßte selbstverständlich sein, daß der katholische Arbeit(nehm)er sich gewerkschaftlich organisiert. Seine Mitarbeit ist einmal Ausdruck einer solidarischen Verbundenheit im gemeinsamen Einsatz für Menschlichkeit in den Arbeits- und Lebensbedingungen, zum anderen ist sie ein Dienst im Sinne des Weltauftrags der Kirche."
(Würzburger Synode, Beschluss "Kirche und Arbeiterschaft")

Und: "erst die staatlicher Arbeiterschutzgesetzgebung, die Entstehung von Gewerkschaften und die gesetzliche Anerkennung des Arbeitskampfrechts und der Tarifautonomie haben die Arbeitnehmerseite in den Stand versetzt, auf gleicher Augenhöhe mit den Arbeitgebern Verträge auszuhandeln. Tatsächliche Arbeitsvertragsfreiheit ist erst mit der rechtlichen Anerkennung und Garantie der Tarifautonomie erreicht worden."
(zitiert aus Reinhard Marx, "Das Kapital")
Wenn die Beschäftigten der kath. Kirche und Caritas wirklich kirchlich orientiert sind, dann müssten sie diese Vorgaben auch und gerade für sich selbst umsetzen.
Und wenn die Kirchen die Motivation ihrer Beschäftigten ernst nehmen, dann sollten sie doch unterstellen, dass diese die ersten sein müssten, die Solidarität und Subsidiarität ernst nehmen und die Verantwortung für die Tarife aktiv in den für sie zuständigen Gewerkschaften gestalten und durchsetzen!

1 Kommentar:

  1. Zitat:
    "Medienwirksam wird dagegen seitens kirchlicher Kreise (nur) ein höherer gesetzlicher Mindestlohn in der Pflege propagiert"
    Der gemeinsame Ruf der AK-Caritas (Arbeitgeber wie Mitarbeiterseite) nach einem GESETZLICHEN Mindestlohn belegt das Scheitern des eigenen Weges. Ein TARIFVERTRAGLICHER Mindestlohn wäre die nötige Konsequenz und eine deutlich bessere Alternative!

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