Montag, 18. August 2014

AK Caritas - was wollen die Dienstgeber?

Mitte letzten Monats hat sich der Verhandlungsführer der Dienstgeberseite der AK Caritas, Dr. Rainer Brockhoff,  in einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit gewandt. In ihr werden die Erwartungen der Dienstgeber an die im Caritasbereich bislang ergebnislos verlaufende Tarifrunde 2014 formuliert.

Wir wollen diese Erwartungen etwas näher unter die Lupe nehmen. Mit Punkt 1 hatten wir uns im Blog bereits am 25. Juli 2014 kritisch auseinandergesetzt. Im Folgenden befassen wir uns mit der gesamten durch Dr. Brockhoff dargestellten Situation:

Punkt 1

Dr. Brockhoff: "Ist die Arbeit bei der Caritas weniger wert als im öffentlichen Dienst? Alle Tarifvergleiche haben bisher das Gegenteil bewiesen. "
Welche Tarifvergleiche bisher das Gegenteil bewiesen haben, bleibt rätselhaft. Das Gegenteil hieße ja, die Arbeit bei der Caritas sei mehr wert als im öffentlichen Dienst. Die bekannten Tarifvergleiche aus der Sozialtarifvergleichsindustrie (Wohlfahrt intern u.ä.), bei denen die Caritas gelegentlich obsiegt hat, haben ihre entsprechenden Ergebnisse gewöhnlich dem verdankt, dass sie zu bestimmten Stichtagen vorgenommen wurden, in denen dann "zufällig" die gegenüber dem TVöD verspätet vorgenommene Tariferhöhungen durch vorgezogene Erhöhungen späterer Erhöhungsschritte kompensiert wurden. Insgesamt hat sich Arbeitnehmerseite der AK bislang weitgehend damit begnügt, den Anschluß an den TVöD wertgleich zu erhalten. Das ist in den letzten Tarifrunden in einzelnen Regionen einigermaßen gelungen, in anderen weniger oder überhaupt nicht.

Dr. Brockhoff: "Es ist auch nicht die Absicht der Dienstgeberseite, die beiden wichtigen Tarife, TVöD und AVR, auseinander zu entwickeln. Auch die Dienstgeberseite möchte 5,4 % mehr Geld, Gehaltserhöhung wie im öffentlichen Dienst.
Wenn festgestellt wird, auch die Dienstgeberseite möchte 5,4 %, dann wird unterschlagen, dass die Tariferhöhung des öffentlichen Dienstes natürlich nicht nur 3,0 % zum 1.3.2014 und weitere 2,4 % zum 1.3.2015  beträgt, sondern dass die Erhöhung zum 1.3.2014 durch einen Mindestbetrag von 90 €uro ergänzt ist, der, wie sich für alle Vergütungen, die unter 3000 € monatlich liegen in einer faktischen Erhöhung auswirkt, die teilweise deutlich über den eigentlichen 3 % liegt. In unserem Faktencheck: Qualifizierung lohnt sich nicht? lässt sich sehen, wer alles davon betroffen ist: der Kreis erstreckt sich z.B. in der Altenpflege nicht nur über die Helfer ohne Ausbildung sondern auch noch über die Altenpfleger mit entsprechender Tätigkeit und zwar von der ersten bis zur letzten Erfahrungsstufe! Der Altenpflegehelfer profitiert von der Mindestbetragsregelung in einer Größenordnung von 4,58 %!
Aber das wird ja von der Caritas sehr kritisch gesehen:
Dr. Brockhoff: "Aber die Tarifpartner des öffentlichen Dienstes haben einen groben Klotz beschlossen. Dieser grobe Klotz heißt Mindestbetrag oder Sockelbetrag. Er hat zwei große Probleme. Zum einen bewirkt er, dass der Abstand zwischen denjenigen Mitarbeitern, die eine Fachausbildung haben und denen, die keine haben, bzw noch keine haben, sich verringert. Damit verringert sich auch die Motivation für unsere Mitarbeiter eine solche Ausbildung zu machen."
In unsere Darstellung Faktencheck: Qualifizierung lohnt sich nicht? lassen sich die Verhältnisse nachempfinden: mit einem Sockelbetrag von 90 € würde der ungelernte Helfer in der Pflege im 16. Berufsjahr
2061,64 + 90 = 2151,46 €
erhalten und der Altenpfleger mit entsprechender Tätigkeit im 16. Berufsjahr
2980,84 + 90 = 3064,84 €
erhalten. Der Abstand verringert sich nicht, sondern er bleibt bei exakt 719,20 € monatlich, was jetzt nicht wenig ist. Dieser Abstand erhöht sich übrigens dann wieder, wenn die nächste Stufe der Tariferhöhung am 1.3.2015 mit 2,4 % erfolgt.

Punkt 2

Dr. Brockhoff: "Natürlich kann man etwas für die unteren Lohngruppen tun, aber eine isolierte Maßnahme, wie im öffentlichen Dienst bewirkt das Gegenteil. Der Sockelbetrag erhöht diese Tarife stark über Arbeitsmarktniveau, die Folge ist Outsourcing oder Fremdvergabe. Das führt unter dem Strich nicht zu besseren Tarifen, sondern zu niedrigerer Bezahlung für die unteren Lohngruppen.
So kann man die Sozialkomponente der diesjährigen Tariferhöhung, deren Durchsetzung insbesondere auch von denen getragen wurde, die daran ein hohen Eigeninteresse haben (den Betroffenen nämlich), natürlich auch denunzieren. Die Kritik an der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich überlässt man den christlichen Kirchen und ihren Bischöfen («Die Armen bleiben zurück, und der Reichtum in der Hand einiger weniger nimmt weiter zu. Das ist eine gefährliche Entwicklung.» - Erzbischof Zollitsch, Weihnachten 2012) sowie den Gewerkschaften, die Praxis der Caritas ist dann eine andere.
Dr. Brockhoff: Die Dienstgeberseite hat hier die richtige Maßnahme ergriffen: mit der Mitarbeiterseite zusammen kämpfen wir für bessere Mindestlöhne im Bereich der Pflege. Das ist der richtige Weg - wenn man diesen dann tarifpolitisch begleitet – etwas für die unteren Lohngruppen zu tun."
Beteiligung an der Festsetzung von Branchenmindestlöhne im Bereich der Pflege als Ersatz  für die Übernahme der tariflichen Verantwortung für die eigenen Beschäftigten und als Alibi für eine unsoziale Praxis? Im Vergleich zum TVöD müsste man von einer Unsozialkomponente bei der Caritas reden? (Gelegentlich darf man auch daran erinnern: dort wo die Gewerkschaften stark sind, braucht man keine Mindestlöhne; in den Branchen in denen die kirchlichen Wohlfahrtsverbände stark sind, sind es die Gewerkschaften nicht.)

Dr. Brockhoff: "...keine Absenkung im Tarif!... Jeder Mitarbeiter wird nach dieser Tarifrunde mehr Gehalt haben als vor dieser Tarifrunde."
Wir hatten kürzlich den verstorbenen Hans-Ulrich Wehler zitiert:
1985 bestand ein Verhältnis von 20:1 zwischen der Höhe der Vorstandsgehälter in den großen deutschen Aktiengesellschaften und der durchschnittlichen Vergütung ihrer Arbeitnehmer. Aber 2011 betrug dieses Verhältnis 200:1.

Natürlich ist in diesen Jahren auch die durchschnittliche Vergütung der Arbeitnehmer gewachsen, das Problem ist die wachsende Kluft zwischen Oben und Unten!

Wie man die weiter wachsen lässt, weiß auch die Caritas, eingeleitet mit einem hehren Motiv:
Dr. Brockhoff: "Wir möchten eine Differenzierung zwischen denjenigen Mitarbeitern, die eine fachliche Ausbildung haben und denjenigen Mitarbeitern, die keine oder noch keine fachliche Ausbildung haben."
Nämlich so:
Dr. Brockhoff: "Das erreichen wir dadurch, dass wir die Löhne bei den fachlichen Mitarbeitern schneller wachsen lassen und die Löhne bei den nicht fachlichen Mitarbeitern moderater wachsen lassen. Oder dass wir neue Mitarbeiter zwar in gleicher Höhe anstellen, aber die Lohnentwicklung flacher laufen lassen oder früher auslaufen lassen."
Und so schaut die Sache dann auch gut aus:
Dr. Brockhoff: "Das heißt unter dem Strich an keiner Stelle Absenkung, sondern moderate Erhöhung."

Punkt 3

 befaßt sich mit der Branche, in der die Probleme am gravierendsten sind:
Dr. Brockhoff: "Warum ist insbesondere für unsere Altenhilfe der Mindestbetrag ein großes Problem? Das liegt daran, dass der Anteil der ungelernten Mitarbeiter im Bereich der Altenhilfe  besonders hoch ist. Das bewirkt im Schnitt für eine stationäre Altenhilfeeinrichtung, dass die Löhne nicht um die 5,4 % steigen, sondern um 6 %. Und jetzt ist unsere große Befürchtung, dass die Konkurrenz, insbesondere die Konkurrenz, die keine Tarifverträge abschließt, dieses nicht nachvollziehen wird. Das wird dazu führen, dass der schon jetzt große Abstand, zwischen dem was wir unseren Mitarbeitern zahlen und dem, was die Konkurrenz zahlt, sich nochmal vergrößert."
Dass die Entwicklung im Bereich der Altenhilfe besonders dramatisch ist, dem kann man nicht mal widersprechen. Im Vergleich zur Gesundheitshilfe, zum Erziehungsbereich, zur Jugendhilfe, zur Behindertenhilfe, zum allgemeinen Sozialbereich ist die neoliberale Privatisierung der Daseinsvorsorge in der Altenhilfe am stärksten fortgeschritten und der Anteil der privaten Träger, deren Geschäftsmodell auf Gewinn gerichtet ist, wächst sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich kontinuierlich.
Dazu trägt auch bei, dass insbesondere die kirchlichen Wohlfahrtsverbände mit ihren edlen sozialpolitischen Motiven bislang keine Tarifverträge abschließen und damit auch ein Beispiel geben für die private Konkurrenz: ohne Tarifverträge habens die Arbeitgeber leichter.

Dass nicht einmal mehr thematisiert wird, dass der wachsende Anteil ungelernter Beschäftigter in der Sozialbranche Symptom und Problem sein könnte - geschenkt!

Dazu, dass sich die Beschäftigten Arbeitgeber- und Wohlfahrtsverband-übergreifend für einheitliche gemeinsame Tarifverträge (nur Tarifverträge nehmen die Beschäftigten selbst substantiell mit in die Verantwortung!) einsetzen und für solche kämpfen, gibt es keine Alternative, es sei denn die, die zunehmende Prekarisierung des Sozialbereichs hinzunehmen und sich an den warmen Worten der Politik in deren Sonntagspredigten zu laben.

Das Beispiel "Altenpflege" zeigt explizit auf, was herauskommt, wenn "McPflege & Co." immer mehr "Marktanteil" erhalten. Die Zersplitterung schreitet voran, der billigste Anbieter mit den niedrigsten Löhnen und der billigsten Qualität bestimmt die Höhe der Finanzierung. "Mehr Finanzierung" führt auch nicht dazu, dass mehr Geld bei den Beschäftigten und den Heimbewohnern ankommt. Damit wird bei Privaten oft nur die Gewinnausschüttung erhöht - oder die "Kriegskasse aufgefüllt".
"Mehr Geld" muss daher im Gleichklang sein mit "mehr Gehalt und mehr Qualität". Und damit das auch umgesetzt wird, gibt es nur die Regularien des "Allgemein verbindlichen Tarifvertrages". Wer sich gegen diese Regelung und für die Konkurrenz der Wege ausspricht, der stärkt nur die Marktmacht der Privaten - und schadet sich damit selbst.


1 Kommentar:

  1. Wenn der Arbeitnehmer nicht ohne seine Arbeit existieren kann und mit nur eben gerade so, ist das Ziel erreicht. Das erzeugt Druck und Angst. Somit wird man gefügig und schwach.

    AntwortenLöschen




Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.