Mittwoch, 15. Mai 2024

Gewerkschaft bei der katholischen Kirche in Deutschland?

Man hört es immer wieder: in einer katholischen Einrichtung "darf es keine Gewerkschaft geben".
Uns verwundert das etwas, hat doch auch Papst Johannes Paul II. am 14. Januar 1983 auch in seiner ANSPRACHE AN DIE BISCHÖFE AUS DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES ausgeführt:
Die katholische Kirche selbst ist ja in Eurem Land einer der größten Arbeitgeber. Ich möchte Euch darin bestärken, auch weiterhin eine besondere soziale Verantwortung wahrzunehmen, wenn es darum geht, Arbeitsplätze auch unter eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten zu erhalten, jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zu geben oder behinderten Menschen Raum für eine ihnen mögliche Tätigkeit zu schaffen. Eine solche konsequente soziale Ordnung im eigenen Haus gibt Euch einen zusätzlichen Rechtstitel, um den kirchlichen Arbeitsbereich weitgehend selbst zu gestalten, bis hin zu eigenen Formen einer Arbeitnehmervertretung, die Ihr zu Recht als der besonderen Natur des kirchlichen Dienstes angemessen betrachtet.
Leider ist diese Ansprache vielfach missverstanden worden.
Sie betont zunächst - auch und gerade gegenüber den Bischöfen - das Recht der Arbeitnehmer auf eine Arbeitnehmervertretung. In Deutschland ist dieses Recht ausdrücklich im Grundgesetz (Koalitionsfreiheit) verankert. Erst danach stellt sich die Frage, wie diese Arbeitnehmervertretung auch die besondere Natur des kirchlichen Dienstes berücksichtigen soll.
Fraglich ist dann also, was der Papst einerseits und die Bischöfe andererseits als "der besonderen Natur des kirchlichen Dienstes angemessen" betrachtet haben. Wenn man die lehramtlichen Verlautbarungen auch nur dieses Papstes zum Gewerkschaftsprinzip (vgl. z.B. "Laborem Exercens" Nrn. 20 und 24 vom Sept. 1981) ansieht, dann dürfe dieser ein besonders intensives gewerkschaftliches Engagement mit entsprechend umfassenden Beteiligungsrechten als "angemessen" gesehen haben. Die deutschen Bischöfe scheinen gerade vom Gegenteil ausgegangen zu sein.
Die Akzeptanz einer "eigenen Form einer Arbeitnehmervertretung, die der besonderen Natur des kirchlichen Dienstes angemessen" ist, kann aber nicht dazu führen, dass die anerkannten Rechte der Arbeitnehmervertretungen negiert werden. Es kann nicht darum gehen, im Kirchendienst sogenannte "christliche Gewerkschaften" zu verankern, die bekanntlich nur zu den Arbeitgebern besonderes christlich sind.

Aber unabhängig von der jeweiligen Sichtweise:
Eine "besondere Natur des kirchlichen Dienstes" verlangt einvernehmliche Regelungen zwischen den kirchlichen Repräsentanten, insbesondere den Bischöfen einerseits und der Arbeitnehmervertretung, insbesondere der für die Kirchen zuständigen DGB-Gewerkschaft andererseits. Dazu wäre am Besten und am Einfachsten eine Grundlagenvereinbarung zu verhandeln, die unter Berücksichtigung der gerechtfertigten Interessen beider Seiten einen Konsens findet.

Kath.pedia dokumentiert die Ad-limina-Ansprachen von Papst Johannes Paul II. an die DBK im Januar 1983. In seiner Ansprache an die zweite Gruppe deutscher Bischöfe am 21. Januar 1983 führte der Papst genau das unter Bezug auf seine große Sozialenzyklika auch ausdrücklich aus:
Rufer der Umkehr sein
Rufer der Umkehr zu sein, ist nicht bequem. Auch wenn noch so viele erkennen, das Umkehr not tut, dürfen wir uns nicht darüber wundern, das viele vor den konkreten Schritten zurückschrecken, die dafür erforderlich sind. Ich möchte euch in eurem schweren Dienst bestärken, Rufer der Umkehr zu sein, und im folgenden auf einige Richtungen hinweisen, die neu einzuschlagen sind, damit wahrhaft Umkehr geschehe und die Menschen sich wieder neu Gott zuwenden und öffnen.

Ein Kult des Gesprächs
Wir müssen umkehren von der Anonymität zum Bekenntnis. Umkehr gibt es nicht, wenn nicht jeder bei sich selbst anfängt. Der Mensch der industriellen Massengesellschaft ist versucht, sich in der Anonymität der Masse zu verstecken. Anderseits möchte er jedoch aus dem Bann der Namenlosigkeit ausbrechen; er möchte wieder einen Namen, ein Ich haben und erleben. Er gibt geradezu einen Kult des Gespräches, des Aussprechens aller Schwierigkeiten, Probleme und Empfindungen. Warum finden wir nicht auch wieder neu den Weg zu jenem Gespräch, das wahrhaft befreit?
....
Welch große Tradition haben katholische Soziallehre und sozialer Katholizismus in eurem Land! Lasst die Impulse nicht ungenutzt, die ich in meiner Enzyklika Laborem exercens in dieser Richtung gegeben habe. Wir müssen umkehren von Illusionen zur konkreten Verantwortung,
....
Die Kirche kann den Aufruf Christi zu Umkehr und Glaube nur dann überzeugend den Menschen als Heilsbotschaft verkünden, wenn sie ihn zuallererst selbst befolgt und beispielhaft vorlebt. ...
Und in seiner Ansprache an die bayerischen Bischöfe am 28. Januar 1983 nimmt Johannes Paul II. dann auch etwas vorweg, was sein Nachfolger später unter dem Stichwort "Entweltlichung" in Freiburg ausdrücklich gegenüber der Nomenklatur der katholischen Kirche ansprechen wird.
Eine Ortskirche, die über verhältnismäßig viele materielle Mittel verfügt wie die eurige, hat ihre besonderen Chancen, aber auch ihre besonderen Gefährdungen. Eine der Gefahren ist es, das der Apparat stärker wird als die Menschen. Aber für die Kirche ist das Prinzip persönlicher Verantwortung von grundlegender Bedeutung. Geistliche Führung liegt in der Kirche nicht bei einem Kollektiv, sondern immer bei Personen. Ich weiß, wie schwer es bei allen Verpflichtungen eines Bischofs in dieser Zeit ist, diesem Prinzip treu zu bleiben. Ich weiß, das man nie alle zufriedenstelIen kann. Aber ich bitte euch doch darum, ....

Dennoch haben die Bischöfe durch ihre eigenen Regelungen des kirchlichen Arbeitsbereiches vor allem dem Machterhalt des von ihnen gelenkten Apparates gedient. Und das in einer Art und Weise, die auch juristisch angreifbar war und den "Rahmen des für alle geltenden Gesetzes" weit überschritten hat. Das so entstanden kirchliche Arbeitsrecht ist nicht vorbildlich. Es ist ein schlechter Abklatsch der grundlegenden Anforderungen, die in der heutigen Gesellschaft gestellt werden. Gerade zum einseitig selbst geregelten kirchliche Arbeitsbereich haben die höchsten Gerichte Deutschlands und Europas inzwischen einige falsche Zähne gezogen. Das betrifft unter anderem das Streikrecht (es steht den Gewerkschaften zu) oder überzogene Loyalitätsanforderungen - auch da, wo es für die Tätigkeit selbst nicht erforderlich ist.
Die katholischen Bischöfe haben den von Johannes Paul II. angesprochenen Rechtstitel zur weitgehenden Gestaltung des kirchlichen Arbeitsbereiches verspielt. Aber das schreiben wir ja seit nunmehr fast 12 Jahren.

Montag, 13. Mai 2024

Gewerkschaft im Vatikan?

Aktuell berichtet "katholisch.de" über einen Konflikt wegen schlechter Arbeitsbedingungen in den Vatikanischen Museen und führt dazu aus:
STREIT UM ÜBERSTUNDEN, ARBEITSSICHERHEIT UND ENTLOHNUNG
Schlechte Arbeitsbedingungen: Angestellte wollen gegen Vatikan klagen

.... Im Vatikan gibt es weder Gewerkschaften noch ein Arbeitsgericht. Arbeitgeber ist – in Vertretung des Papstes – der Präfekt der vatikanischen Stadtregierung (des "Governatorats"), der spanische Kardinal Fernando Vergez Alzaga. (KNA)
(Über den Konflikt selbst berichtet heute auch n-tv: "Unwürdige Arbeitsbedingungen - Angestellte nehmen sich Staranwältin gegen den Vatikan", der Münchner Merkur (Kopie hier) und das Domradio: "Angestellte der Vatikanmuseen drohen mit Klage" mit der gleichen Aussage zur fehlenden Gewerkschaft im Vatikan. Der Inhalt des Konflikts ist uns hier einmal egal - uns geht es primär um das Thema "Gewerkschaft in kirchlichen Institutionen").

Auch die recht unbekannte Internetpräsend "Market screener" nimmt die Meldung auf und behauptet dann im Kontext mit unserem heutigen Blog-Thema sogar:
Gewerkschaften sind im Vatikan nicht erlaubt.
Und sogar der "Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages" führt im April 2005 (Seite 9) zur Reform Pauls VI. vom 15. August 1967 aus:
...
An neuen Errichtungen kamen ferner hinzu
− die „Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Hl. Stuhls“,
− das „Zentralbüro für die Statistik der Kirche“ und
− das „Verwaltungsgericht“, das als Schiedsgericht für innervatikanische Verwaltungsbelange zuständig wurde – eine besondere Aufgabe, zumal es bis heute im Vatikan an einer Arbeitnehmervertretung fehlt.

Hier scheint das alte Ammenmärchen vom "Gewerkschaftsverbot in kirchlichen Einrichtungen" wieder aufzuflammen, und auch eine solche "Insider-Präsenz" wie katholisch.de scheint nicht ganz auf dem Laufenden zu sein. Denn schon bei WIKIPEDIA ist angegeben:
1981 wurde mit der „Arbeitnehmervereinigung der Laien im Vatikan“ eine Art Gewerkschaft gegründet. Im Vatikan gilt eine 36-Stunden-Woche, Tarifverhandlungen gibt es nicht.
Nun kann man Wiki nicht unbedingt als Quelle verwenden. Allerdings wird 2008 auch im DOMRADIO zu dieser Gruppe ausgeführt:
Die "Vereinigung der Laienmitarbeiter im Vatikan" (ADLV), die seit 1981 die Rolle einer Gewerkschaft einnimmt ...
Die Vertretung oder Gewerkschaft im Vatikan ist also unter Papst und Gewerkschaftsfreund Johannes Paul II. gegründet worden. Wundert das jemand?

Und diese Arbeitnehmervertretung war bis 2023 im "Grundgesetz" für den Vatikan ausdrücklich im Gesetzestext genannt. Die FAZ berichtete dazu:
Nicht mehr im Grundgesetz findet sich hingegen eine Institution, deren Wegfall bei einem Papst überrascht, der mit kapitalismuskritischen Aussagen wie „Diese Wirtschaft tötet“ von sich reden machte: Es ist die vatikanische Arbeitnehmervertretung.
Dass eine Arbeitnehmervertretung nicht mehr explizit in einem Grundgesetz genannt wird, bedeutet aber nicht, dass es solche Vertretungen nicht mehr gäbe oder gar nicht mehr geben dürfe.
Vielleicht erfüllt die genannte "Arbeitnehmervertretung der Laien im Vatikan" ja auch nicht die hohen Ansprüche, die Papst Franziskus den Gewerkschaften stellt. Klar ist jedenfalls - und das ausdrücklich auch vom Papst bestätigt: Es gibt "Keine freien Arbeiter ohne Gewerkschaft" (nachzulesen im Sonntagsblatt). Das gilt überall, auch im Vatikan. Dort findet pikanterweise derzeit gerade mit internationalen Experten eine Konferenz zur Frage statt, wie der Vatikan Arbeitnehmerrechte, würdige Arbeitsbedingungen und Umweltschutz fördern will.
„Schlüsselthemen zur Zukunft der Arbeit, die sich herauskristallisiert haben, sind: .... menschenwürdige Arbeit; soziale Gerechtigkeit, Würde und Ungleichheit; der Schutz von Migranten, insbesondere von Wanderarbeitnehmern und sozial Schwachen; und der gerechte ökologische Wandel im Kontext von Wirtschaftskrisen und Klimawandel."

Zurück zum Thema:
Woher kommt nun die Aussage von katholisch.de und dem Domradio zu "keiner Gewerkschaft im Vatikan"- wobei das Domradio sogar seiner früheren Aussage widerspricht? Ist es Unkenntnis?
Richtig ist sicher: eine starke gewerkschaftlich organisierte Belegschaft würde solche Konflikte lösen, ohne dass "Staranwälte gegen den Vatikan" mobilisiert werden müssten. Aber vielleicht zählt ja beim "Domradio" und bei "katholisch.de" nur die Vereinigung als Gewerkschaft, die aktiv (und möglicherweise sogar ständig) zu Arbeitskampf und Streik aufruft. Das - mit Verlaub - wäre ein sehr beschränktes Gewerkschaftsverständnis. Auch für die Gewerkschafen in Deutschland gilt, dass der Arbeitskampf nur eine "ultima ratio" ist. Es ist wesentlich angenehmer (und schont die Streikkassen), wenn das gewünschte und notwendige Verhandlungsergebnis ohne einen intensiven Arbeitskampf erreicht werden kann. Allerdings kann und darf eine Gewerkschaft nicht auf das Streikrecht als ggf. notwendiges Druckmittel verzichten. Wenn, dann kommt nur die tarifvertragliche Friedenspflicht infrage.

Freitag, 10. Mai 2024

Wie scheinheilig kann man sein? Diakonie und Caritas pochen auf Hilfe für die Altenpflege

berichtet jedenfalls N-TV:
Die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas haben Verbesserungen für die ambulante Pflege und die pflegenden Angehörigen in Deutschland gefordert. "Insgesamt ist die wirtschaftliche Situation der ambulanten Pflegedienste mit Blick auf die demografischen Entwicklungen dringend zu stabilisieren und die Pflege insgesamt zukunftsfest zu machen", sagte die Sozialvorständin der Diakonie Deutschland, Maria Loheide anlässlich des Tags der Pflegenden an diesem Sonntag. Damit wird jährlich am 12. Mai auf deren Lage aufmerksam gemacht. Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa forderte die Politik auf, jetzt die Voraussetzungen für die vorhersehbar immer mehr Pflegebedürftigen zu schaffen. ...
wir erinnern uns lebhaft an das Desaster um den allgemein verbindlichen Tarifvertrag für die Altenpflege, bei dem vor allem die Caritas-Arbeitgeber die "Drecksarbeit für die private Dumping-Konkurrenz" erledigt hatten. Jetzt nach einem "gesetzlichen Rahmen" zu betteln, nachdem man vorher alles kaputt gemacht hat, ist mehr als scheinheilig und wird der eigenen Verantwortung nicht gerecht.

Ihr habt die Suppe eingebrockt und verlangt jetzt, dass der Staat dieses versalzene Gesöff auslöffelt?

Es gäbe - insbesondere für die Caritas - ein ganz einfaches und probates Mittel:
1. knüpft an die seinerzeitigen Bemühungen an, stimmt nun doch ausdrücklich zu (wenn das noch möglich sein sollte).
Damit wäre zugleich dem "Dumpingwettbewerb" der Boden enzogen. Denn mit einer allgemein verbindlichen tariflichen Regelung kann niemand "Lohndrückerei" betreiben. Der Mindestlohn müsste von allen Anbietern bezahlt werden.
2. Oder - noch besser - schließt selbst einen Tarifvertrag mit der für die Branche zuständigen DGB-Gewerkschaft, also mit unserer ver.di ab. Gemeinsam würde so die Grundlage für eine dauerhaft bessere Refinanzierung geschaffen. Das würde auch der katholischen Soziallehre, insbesondere den päpstlichen Sozialenzykliken zum Gewerkschaftsprinzip und zum Tarifvertrag (Mater et magistra) sowie dem universellen Kirchenrecht (can. 1286 CIC) entsprechen.

Das hindert Euch auch nicht, mit Euren kirchlichen Gremien das "kirchenspezifische" einer Einrichtung herauszuarbeiten.
Was ist denn so spezifisch, damit ein kirchliches Altenheim auch "katholisch" ist?
Der Taufschein der Mitarbeitenden, die Eigentumsverhältnisse der Einrichtung, eine (schlechtere) Vergütung der Arbeitnehmer, höhere Arbeitsbelastung, weniger Mitwirkungsrechte als bei anderen Anbietern wie AWO oder DRK ... das kann es doch wohl alles nicht als "spezifisch katholisch" sein.

Montag, 6. Mai 2024

Erneut 380.000 Austritte aus der evangelischen Kirche in Deutschland (2023)

berichten u.a. katholisch.de (auch hier) oder Kirche und Leben. Da stellt sich schon die Frage, welche Gemeinsamkeiten bei den beiden großen christlichen Gemeinschaften (bei den Katholiken waren im Jahr 2021 359.338 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten und 2022 gab es mit 522.821 die bislang meisten Austritte) zu solch hohen Austrittszahlen führen. Die hierarchische Strukter der katholischen Kirche und das päpstliche Lehramt oder das Zölibat können ja auf die protestantischen Landeskirchen keine Auswirkungen haben. Und auch so mancher Skandal, der speziell katholische Gemeinden erschüttert, sollte bei den evangelischen Gemeinden irrelevant sein.
Einige Landeskirchen konnten im vergangenen Jahr auch einen Zusammenhang mit den gestiegenen Lebenshaltungs- und Energiekosten beobachten.
berichtet katholisch.de; aber bei näherer Betrachtung ist das wohl eher eine erleichternde Ausrede. Denn die Lebenshaltungs- und Energiekosten betreffen alle Bürger des Landes. Nachdem aber andere Gemeinschaften wie die "Altkatholische Kirche" sogar steigende Mitgliederzahlen aufweisen (2021 waren es dort sogar doppelt so viele Beitritte wie 2020 kann diese Begründung nicht so recht greifen.
Was also "eint" die beiden großen Gemeinschaften?

Mir fällt da - ganz spontan - die Sonderrolle mit eigenen Arbeitsrechtsregelungen ein, die ein Ausdruck des "Machterhaltes" sind und hinsichtlich der Sozialethik jede kirchliche Glaubwürdigkeit in der Gesellschaft beeinträchtigen.
Oder, um es anders zu formulieren:
die Lebenswirklichkeit der Menschen hat sich mit der Gesellschaft geändert. Und beiden großen christlichen Gemeinschaften ist es nicht gelungen, sich mit ihrer tagtäglichen Handlungspraxis auf diese geänderten gesellschaftlichen Realitäten einzustellen.

Freitag, 3. Mai 2024

Nicht katholisch getaufte Mitarbeitende - sondern christliches Profil der Einrichtung

Berlin ist nicht nur eine Reise wert: das Berliner Erzbistum hat bereits vor einem Monat auch für die verfasste Kirche definiert, was unter "katholisches Profil für seine Einrichtungen" zu verstehen ist (Quelle). Damit wird eine Regelung weiter geführt, die schon seit Jahren zunehmend bei der Caritas des Bistums umgesetzt wird. Anderswo bezeichnet man dieses Vorgehen als "Corporate identity", ein Führungssystem, das in der weltlichen Wirtschaft schon längst etabliert ist.
In einem dazu veröffentlichen Interview (Quelle) führt nun der Berliner Generlvikar aus:
Früher war es so, dass eine Einrichtung dadurch katholisch sein sollte, dass Beschäftigte im Regelfall katholisch sind und ihr Privatleben nach den Vorstellungen der Kirche ausrichten. Das ist aber schon lange gar nicht mehr möglich – gerade hier im Erzbistum finden wir schlicht das Personal nicht, das zugleich fachlich qualifiziert und katholisch ist. Mit diesem Wechsel von der Katholizität durch katholische Mitarbeitende hin zu einem christlichen Profil, das von der Einrichtung ausgefüllt werden muss, ist das kirchliche Arbeitsrecht in der Realität angekommen.
Der "Taufschein-Katholik" soll also durch den "sympathisierenden Überzeugungstäter" ersetzt werden. Damit wird aber auch in anderen Diözesen Deutschlands ein Prüfstein gelegt. Ist der "katholische Taufschein", die Mitgliedschaft in der Kirche, eine gerechtfertigte Anforderung und wirklich wichtig um eine bestimmte Tätigkeit auszuüben - wie die höchstrichterliche Rechtsprechung fordert?
Das ist sicher auch ein Erfolg, der dem gewerkschaftlichen Engagement von ver.di Mitgliedern und dem gewerkschaftlichen Rechtsschutz zu verdanken ist.

Ob das kirchliche Arbeitsrecht nun wirklich in der Realität angekommen ist?

Fakt ist: das verfassungsrechtlich zugesicherte Recht der Kirchen beschränkt sich auf die Selbstverwaltung und Selbstordnung der eigenen Angelegenheiten in den Schranken der für alle geltenden Gesetze. Und zur Selbstverwaltung und Selbstordnung ist der katholischen Kirche durch die Konkordatsvereinbarungen (z.B. im Reichskonkordat) lediglich das Recht eingeräumt, für Mitglieder der eigenen Kirche kirchenrechtliche Regelungen zu erlassen. Woher die Kirchen dann die Befugnis nehmen, auch für Nichtkatholiken bindende kirchenrechtliche Normen zu erlassen, konnte uns noch niemand nachvollziehbar erklären. In seinem Interview erklärt der Berliner Generalvikar zwar: "Wer bei uns arbeitet, wirkt an der Sendung mit" - aber mit Verlaub: diese idealistische Erklärung und Wunschvorstellung ändert am universellen, kircheneigenen Amtsrecht reichlich wenig (was bei den protestantischen Brüdern und Schwestern gilt ist natürlich nach deren Amtsverständnis zu hinterfragen).

In der Grundordnung verbleibt nach der weitgehenden Eliminierung der "persönlichen Loyalitätsanforderungen" zudem immer noch
- die Weigerung, Tarifverträge mit Gewerkschaften abzuschließen
(was gegen das Gewerkschaftsprinzip der päpstlichen Sozialenzykliken verstößt und Auwirkung in der gesamten Wohlfahrts-Branche hat und Lohndumping fördert, weil damit keine allgemein verbindlichen Normen geschaffen werden können)
und
- die Regelung eines eigenen Mitarbeitervertretungsrechts
(was mit can. 1286 des universellen Kirchenrechts CIC nicht vereinbar ist).

Nein, das kirchliche Arbeitsrecht ist nicht in der Realität angekommen. Es hängt immer noch irgendwo in der rosa Wolke 17 über dem Boden der harten Realitäten. Es ist etwas Druck raus - und das auch, weil (nicht nur) die Personalnot dazu zwingt. "Im Erzbistum finden wir schlicht das Personal nicht" wird der Generalvikar in klarer Offenheit zitiert.

Donnerstag, 2. Mai 2024

Wichtige Änderungen seit dem 1. Mai des Jahres - Mindestlohn in der Pflege und Krankenhausatlas

1.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) verkündete bereits im August des vergangenen Jahres, dass eine Erhöhung des Mindestlohns für Pflegekräfte kommt. Diese geht auf eine Empfehlung der Pflegekommission zurück. Seit diesem Februar liegt der Mindestlohn für Pflegefachkräfte in Deutschland bei 18,25 Euro pro Stunde. Zuvor lag dieser bei 17,65 Euro. Auch diese eher niedrige Erhöhung war schon Teil eines dreistufigen Anhebungsplans des BMAS, welcher nun fortgesetzt wird. Seit Mai beträgt der Mindestlohn für Pflegefachkräfte 19,50 Euro die Stunde, statt den seit Februar gültigen 14,15 Euro verdienen Pflegehilfskräfte dann 15,50 Euro und qualifizierten Hilfskräften wird von 15,25 Euro auf 16,50 € angehoben. Im Juli des kommenden Jahres erhöht sich der Mindestlohn nochmal auf 20,50 Euro. Pflegehilfskräfte dürfen dann mindestens 16,10 Euro pro Stunde erwarten und die qualifizierten Fachkräfte werden mindestens 17,35 Euro pro Stunde verdienen.
Hier die Mindestlohnerhöhungen in der Pflege noch einmal im Überblick: 
Pflegehilfskräfte:
Ab 01.02.2024: 14,15 Euro pro Stunde
Ab 01.05.2024: 15,50 Euro pro Stunde
Ab 01.07.2025: 16,10 Euro pro Stunde

Qualifizierte Pflegehilfskräfte (mit mindestens einjähriger Ausbildung und entsprechender Tätigkeit):
Ab 01.02.2024: 15,25 Euro pro Stunde
Ab 01.05.2024: 16,50 Euro pro Stunde
Ab 01.07.2025: 17,35 Euro pro Stunde

Pflegefachkräfte:
Ab 01.02.2024: 18,25 Euro pro Stunde
Ab 01.05.2024: 19,50 Euro pro Stunde
Ab 01.07.2025: 20,50 Euro pro Stunde
(Zitat aus ruhr24.de)

Die Tabellen für die AVR-Caritas sind mit weiteren Erläuterungen im Netz bei Kollegen Wolfram Schiering oder als einfache Tabellen auch hier zu finden. Die aktuellen Tabellen für die AVR Diakonie und andere Elaborate der Diakonie finden sich hier.
Wie sich daraus der jeweilige Stundenlohn errechnet, ist recht einfach hier erklärt.

2.
Und eine weitere Neuigkeit:
Ab dem 1. Mai haben Patienten die Möglichkeit, vor einer Klinik-Behandlung das für sie am besten geeignete Krankenhaus online auszuwählen. Diese Neuerung kündigte Bundesgesundheitsminister Lauterbach an. ...
berichtet ebenfalls ruhr24.de

Mittwoch, 1. Mai 2024

Noch ein Nachtrag zum 1. Mai:

Quelle: Facebook
bzw. hier
Wer glaubtdem Bischof den zweiten Teil der Aussage - nach dem Desaster, dass die von den Bischöfen bestätigten Arbeitgebervertreter in der AK Caritas für die Altenpflege (wir berichteten) angerichtet haben - unter Verweis auf "bischöfliche Vorgaben"?

1. Mai 2024

auch in diesem Jahr führen wir unsere Tradition fort und wünschen allen einen festlich-freudigen 1. Mai als Tag der Arbeit.
und wir bedanken uns bei allen, die an diesem Tag arbeiten müssen, weil sie in "systemrelevanten Berufen" (wie etwa im Bereich der Pflege und bei den Rettungsdiensten) arbeiten.

DANKE

Dienstag, 30. April 2024

"Romgrenze" ab morgen (1. Mai) neu geregelt

Bischöfe sind die absoluten Herrscher in ihren Bistümern? Wer das glaubt, hat nun bei katholisch.de eine bessere Information:
Bischöfe können über Kirchenvermögen nicht frei verfügen – manche Geschäfte brauchen die Zustimmung diözesaner Gremien. Wenn sie besonders teuer sind, muss sogar der Vatikan sein Okay geben. Diese "Romgrenze" wurde in Deutschland nun deutlich erhöht.
nun, dass die "Romgrenze" die Vermögensverwaltung betrifft - und nicht das Recht der Arbeitnehmer - gibt schon einen Hinweis auf die Wertigkeit. Da kann dann das universale Kirchenrecht (c. 1286 CIC) und die päpstliche Soziallehre munter verletzt werden. Es ist ja nicht genehmigungspflichtig (obwohl die zitierten Rechte der Arbeitnehmer universalkirchenrechtlich im Vermögensrecht angesiedelt sind).

Wer dann weiter liest wird eine interessante Ausführung finden:
Neben der Romgrenze wurden auch die "Akte der außerordentlichen Verwaltung" in einem eigenen Dekret neu geordnet. Für solche Sachverhalte braucht der Diözesanbischof die Zustimmung seines Vermögensverwaltungsrats und des Konsultorenkollegiums, er kann also nicht alleine handeln. Zu diesen Akten gehören nun die Errichtung, der Erwerb, die Übernahme, die Auflösung oder die Veräußerung einer kirchlichen Einrichtung, die Ablösung einer Bau- und Unterhaltungsverpflichtung sowie einer anderen Leistung eines Dritten sowie die Abgabe von Patronatserklärungen nach Maßgabe des weltlichen Rechts, also Erklärungen, dass die Körperschaft sich verpflichtet, die Erfüllung von Verbindlichkeiten einer anderen Körperschaft sicherzustellen.
die beiden hier "fett" gedruckten Sachverhalte sind im kirchlichen Alltag nicht unwichtig.
Wie oft passiert es, dass vormals kirchliche Einrichtungen an andere - weltliche - Rechtsträger abgegeben werden? Das ist wohl wesentlich öfter, als wir hier darauf hinweisen konnten (z.B. im April 2017 oder im Mai des gleichen Jahres, am 21. November letzten Jahres - und zuletzt im Mai 2024).
Brauch das alles künftig die Genehmigung eines Vermögensverwaltungsrates - und wird dieser darauf achten, dass grundlegende Schutznormen des weltlichen Betriebsverfassungsrechts eingehalten werden? Auf die rechtlichen Probleme für die Mitarbeitervertretungen haben wir unter dem Stichwort "Übergangsmandat" auchschonverwiesen (z.B. hier und hier).
Nicht uninteressant ist dann auch der zweie Punkte "Patronatserklärungen". Wir haben hier ja schon mehrfach darauf verwiesen, dass nach unserer Auffassung die Diözesen schon bisher aufgrund konzernrechtlicher Vorschriften und der Vermögensaufsicht durch die Bischöfe und deren Diözesankurie eine Haftungsverpflichtung haben - erstmals im Zusammenhang mit der Caritas-Penisonskasse im juni 2019 und zuletzt auch wieder am 19. März diees Jahres und letzendlich steht ja auch die Frage im Raum, ob eine mangelhafte Kontrolle z.B. bei kirchlichen Stiftungen auch Schadensersatzansprüche an den Kontrolleur begründet (vgl. Art. 22 f BayStG i.V. mit der kirchlichen Stiftungsordnung). Da werden die Vermögensverwaltungsräte noch so oft ihr Veto gegen eine Patronatserklärung abgeben - an den geltenden weltlichen Regelungen kommen sie nicht vorbei.

Montag, 29. April 2024

Fachkraftmangel - Quote senken ?

In der letzten Woche haben wir uns rund um mit dem Fachkraftmangel insbesondere in der Pflegebranche beschäftigt. Die Fachkraftquote für Pflegeheime ist bundesweit - hier ein Bericht aus Thüringen - immer schwieriger umzusetzen. Die Hansestadt Hamburg will nun wegen Prsonalmangel die Fachkraftquote in Pflegeheimen senken (Bericht des NDR vom 23.04.2024).
Dabei sind sich Experten einig: In der Kranken- und Altenpflege sind mehr Fachkräfte nötig

Wenn man bedenkt, dass schon die bisherige Fachkraftquote eine absolute Mindestgrenze darstellt (bei weniger Fachkräften sind - so beispielsweise schon die Gesetzesbegründung etwa zu §§ 8, 9 und 16 der Landespersonalverordnung (LPersVO) Baden-Württemberg vom 1. Februar 2016 - Gefährdungen der betreuten Personen zu erwarten, Stichworte: Dehydration, Dekubitus, usw), dann scheint das der falsche Weg zu sein. Noch größere Lücken führen zur "Altersverwahranstalt" oder der Familienpflege, die wegen Mangels an Familie, deren Möglichkeit und Bedarfen schon heute nicht mehr "geht".
Und was in der Altenpflege gilt, gilt auch für die Krankenpflege. Auch dort besteht massiver Fachkraftmangel. Die Berliner Charité - z.B. - musste jetzt sehr viele Betten "mangels Personal" sperren. Die fehlenden Einnahmen führen zu einem dramatisch hohen Betriebsdefizit. (Quelle). So wird ein "Teufelskreislauf" in Gang gesetzt und aufrecht erhalten.

Aber solange die Finanzwirtschaft bestimmt, welche Pflege finanzierbar ist, solange wird der caritative Anspruch der Kirchen und der verfassungsrechtliche Anspruch an den Sozialstaat wohl weiter mit Füßen getreten. Und die kirchlichen Wohlfahrtsverbände - allen voran die Caritas und die Altenpflege - tun das ihrige, damit das so bleibt.

Samstag, 27. April 2024

Fachkräftemangel - neues Personalbemessungsinstrument in den Krankenhäusern (PPR 2.0) verabschiedet

Der Bundesrat hat heute das neue Personalbemessungsinstrument in den Krankenhäusern (PPR 2.0) verabschiedet. Die Länderkammer nahm einen entsprechenden Entwurf in der Ausschussempfehlung des Bundesrates an. Noch vor vier Wochen hatte der Gesundheitsausschuss der Kammer den Gesetzentwurf wegen weiteren Beratungsbedarfs zurückgestellt, nachdem vor allem Bayern und Brandenburg erhebliche Bedenken geäußert hatten.
berichtete gestern (26. April) die AOK und führte weiter aus:
Zuvor hatte die Gewerkschaft Verdi an den Bundesrat appelliert, das PPR 2.0 anzunehmen. „Es ist höchste Zeit, mit bedarfsgerechten und verbindlichen Personalvorgaben eine gute Patientenversorgung zu sichern und die Pflegekräfte zu entlasten“, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler.
...
Das PPR 2.0 war 2019 vom Deutschen Pflegerat gemeinsam mit Verdi und der Deutschen Krankenhausgesellschaft entwickelt worden. Mit Hilfe des Instruments sollen für die Pflege am Bett gesetzliche Vorgaben zur Personalbesetzung gemacht werden, die sich am tatsächlichen Versorgungsbedarf orientieren.

Die PPR 2.0 wird sicher auch für kirchliche Krankenhäuser zur Anwendung kommen. Für MAVen empfiehlt sich daher, möglichst bald entsprechende Seminare zum Umgang mit dem PPR 2.0 zu besuchen - mit ver.di natürlich, denn wer sollte besser über dieses Instrument schulen können als diejenigen, die es entwickelt haben?

Weitere Quellen:
Ausschussempfehlung zum PPR 2.0 im Bundesrat
Verdi-Pressemitteilung
AOK - Hintergrund zur Personalbemessung

Freitag, 26. April 2024

75 Jahre Tarifvertragsgesetz

Vor 75 Jahren, im April 1949, verabschiedete die damalige Bundesregierung das Tarifvertragsgesetz. Einen Monat später wurde Artikel 9 Absatz 3 in das Grundgesetz aufgenommen, der die Grundlage für die Tarifautonomie der Bundesrepublik bildet. 1952 folgten schließlich die gesetzlichen Bestimmungen zur betrieblichen Interessenvertretung durch Betriebs- und Personalräte. Seither bestimmen diese Rechtsgrundlagen das deutsche System der Arbeitsbeziehungen.
- so zitieren wir heute das Magazin des Instititues für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Nach den Ausführungen des Magazins ist dieses Jubiläum - leider - kein Grund mehr, optimistisch zu feiern. Denn die Tarifbindung nimmt kontinuierlich ab:


Die mangelnde Tarifbindung führt zu "Tarifflucht" - und damit zu prekären Beschäftigungsverhältnissen, wie etwa die KAB beklagt.

Dass die kirchlichen Wohlfahrtsverbände in ihrer Branche eine traurige Vorreiterrolle spielen haben wir oft genug angeprangert. Wir erinnern nur an das Drama um den Mindestlohn-Tarifvertrag für die "Altenpflege". Was die vorgeblichen "Tarife" der kirchlichen Wohlfahrtsverbände selbst betrifft: das sind Allgemeine Vertrags Richtlinien (AVR), die als "Allgemeine Geschäftsbedingungen" gelten. Deren Unverbindlichkeit haben wir zuletzt am Montag dieer Woche angesprochen.

Bei den kirchlichen Einrichtungen wird die historisch schwer belastete "Dienstgemeinschaft" trotz der klaren Vorgabe insbesondere der katholischen Soziallehre als theologisch verbrämte Alternative hoch gehalten.
Bei nährem Hinsehen wird im "Dritten Weg der Caritas" aber nur mit hohen Kosten versucht, sich mehr oder weniger an den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes zu orientieren - ohne dabei die Entscheidungsmacht abzugeben. Denn das ist das Kennzeichen des "Dritten Weges" in der katholischen Kirche: es geht nicht um partnerschaftlichen Umgang mit den eigenen Mitarbeitenden, sondern um den Machterhalt der Diözesanbischöfe und der kirchlichen "Dienst-" oder besser "Arbeitgeber". Der Blockadehaltung kann nur durch "kollektives Betteln" (so das Bundesarbeitsgericht) überwunden werden.

Das bereits eingangs zitierte Magazin schreibt zur "Tariforientierung" kurz und schmerzlos:
Die Tariforientierung ist qualitativ nicht vergleichbar mit der Tarifbindung

Für rund 49 Prozent der westdeutschen und 56 Prozent der ostdeutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gab es im Jahr 2023 keinen Tarifvertrag. Rund die Hälfte dieser Beschäftigten wurde jedoch indirekt von Tarifverträgen erfasst, da sich ihre Arbeitgeber nach eigenen Angaben an den jeweiligen Branchentarifverträgen orientierten (siehe Abbildung 2).
Allerdings lehnt sich nur ein Teil dieser Betriebe in allen relevanten Punkten – etwa Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Arbeitszeiten oder Dauer des Jahresurlaubs – an den jeweiligen Branchentarif an und gewährt der Mehrheit der Beschäftigten im Betrieb diese Konditionen. Nur in diesen Betrieben dürften die Beschäftigten also Arbeitsbedingungen vorfinden, die mit denen in branchentarifgebundenen Betrieben annähernd vergleichbar sind. Auf Basis von Auswertungen des IAB-Betriebspanels 2020 traf dies im Westen auf rund 23 Prozent und im Osten auf rund 13 Prozent der nicht tarifgebundenen Betriebe zu (lesen Sie dazu einen 2021 erschienenen Artikel von Peter Ellguth und Susanne Kohaut).

Wundert sich da jemand, dass die gesamte Wohlfahrtsbranche unter Arbeitskräftemangel leidet (wir erinnern an unseren Beitrag vom letzten Mittwoch)?